Rede von Frank Bsirske Minijobs

Frank Bsirske MdB
17.03.2023

Frank Bsirske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Abgeordnete! Minijobs – lassen Sie uns einen Augenblick zurückschauen und uns erinnern. Die Einführung der Minijobs wurde mit der Hoffnung verbunden, dass sie eine Brückenfunktion haben könnten für den Einstieg in Arbeit und idealerweise am Ende auch für einen Wechsel in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Diese Hoffnung hat sich für die hierfür relevanten Gruppen, also Arbeitslose und nicht Erwerbstätige, nicht erfüllt. Tatsächlich gibt es bei den Minijobs einen ausgeprägten Klebeeffekt. Sie erweisen sich insbesondere für sehr viele Frauen als berufliche Sackgasse, regelrecht als Minijobfalle.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: In Hartz IV auch!)

Hohe Grenzkosten haben nämlich sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen systematisch den Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erschwert. Die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung haben so angesichts des demografischen Wandels und akuter Fachkräfteengpässe dazu beigetragen, dass das Arbeitskräftepotenzial nicht angemessen ausgeschöpft worden ist, weder quantitativ noch qualitativ.

Es wurde auch gerne behauptet, dass Minijobs den Unternehmen einen Flexibilitätsvorteil gegenüber einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung bieten. In Wirklichkeit ging der Einsatz von Minijobs mit einem bürokratischen Mehraufwand einher, um zu verhindern, dass die Geringfügigkeitsschwelle überschritten wird. Das gilt insbesondere für geringfügig Beschäftigte mit einem Verdienst nahe der Geringfügigkeitsschwelle.

Hinzu kommt, dass aus Unternehmenssicht eine geringfügige Beschäftigung kostenmäßig eigentlich ungünstiger ist als eine vergleichbare sozialversicherungspflichtige Beschäftigung; denn im Unterschied zu den rund 20 Prozent Sozialabgaben bei letzterer zahlen Arbeitgeber für einen vergleichbaren Minijob eine Pauschalabgabe von rund 31 Prozent. Ein Kostenvorteil für den Arbeitgeber entsteht allerdings dann, wenn durch die Brutto-für-Netto-Regelung der Anspruchslohn der Beschäftigten im Minijob deutlich niedriger ausfällt als bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber doch nicht bei den Arbeitgebern!)

Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht das mit hohen Risiken einher, da in der Regel keine eigenständige soziale Absicherung erfolgt und nicht alle, Max Straubinger, stabile Partnerschaften haben,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die meisten haben Partnerschaften!)

sodass sie später von Altersarmut betroffen sind und Leistungen der Grundsicherung in Anspruch nehmen müssen. Damit werden die negativen Langfristfolgen der Minijobs sozialisiert.

Die Erfahrung zeigt zudem, dass viele Minijoberinnen ihre rechtlichen Ansprüche nicht geltend machen oder ihnen diese von den Arbeitgebern rechtswidrig vorenthalten werden. Urlaubsansprüche, Ansprüche auf Lohnfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall werden, je nach Studie, zwischen einem Drittel und gut der Hälfte der Minijoberinnen vorenthalten. Tatsächlich bergen Minijobs ein hohes Missbrauchsrisiko, nicht zuletzt mit der Folge, dass Minijobs in nicht unerheblicher Größenordnung sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse verdrängen. Zudem bedingen die steuer- und abgabenrechtlichen Rahmenregelungen auch eine fragwürdige Privilegierung der Minijobs im Nebenerwerb gegenüber einer vom Volumen vergleichbaren Ausdehnung der Arbeitszeit im Rahmen einer bestehenden sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung.

Nein, ein arbeitsmarktpolitisches Erfolgsmodell sind Minijobs eindeutig nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dennoch hat sich die Ampel nicht darauf verständigt, die steuer- und abgabenrechtliche Privilegierung etwa auf Schülerinnen und Schüler, Studierende, Rentnerinnen und Rentner zu beschränken, sondern hat sich stattdessen auf Maßnahmen konzentriert, die der Minijobfalle und Substitutionseffekten entgegenwirken sollen. Dazu ist die harte Abbruchkante beim Überschreiten der Minijobschwelle abgeschafft worden, damit Beschäftigte sozialversicherungsbedingt keine gravierend sinkenden Nettoeinkommen mehr haben, wenn sie zu einem höheren Stundenumfang wechseln.

Allerdings bestehen die steuerlichen Anreize eines Minijobs weiter. Aber auch diese Anreize will die Ampel angehen und die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen. Das wird zu mehr Fairness zwischen den Geschlechtern führen und Fehlanreizen entgegenwirken. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird vom Bundesfinanzminister eingebracht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wie sich diese Maßnahmen auswirken, wird seitens des Bundesarbeitsministeriums evaluiert werden. Dann wird zu entscheiden sein, ob an der Sonderstellung von Minijobs festgehalten werden sollte oder es vielmehr geboten ist, existierenden geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zwar noch Vertrauens- und Bestandsschutz zu gewähren, neu geschlossene Teilzeitbeschäftigungen hingegen grundsätzlich steuer- und abgabenpflichtig zu machen. Aber da sind wir heute nicht.

Da wir Grünen die Koalitionsvereinbarung als Geschäftsgrundlage der gemeinsamen Regierungspolitik ernst nehmen, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt nur, den Antrag der Linksfraktion bei aller Sympathie, die wir und auch ich ganz persönlich ihm entgegenbringen, abzulehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Die Kollegin Gerrit Huy ist die nächste Rednerin für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)