Rede von Sascha Müller Mut zu wesentlichen steuerlichen Hilfsmaßnahmen

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08.04.2022

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir die politischen Antworten auf die hohen Energiepreise und damit im Besonderen die steuerlichen Maßnahmen aus dem ersten Entlastungspaket der Koalition. Wahrscheinlich geht es uns allen nach wie vor so: Wir sehen mit großer Sorge und Entsetzen, wie ukrainische Städte bombardiert, Wohnhäuser und Kliniken beschossen werden. Mit jedem Tag des Krieges wächst die Not für die Menschen in der Ukraine. Ich denke, das relativiert auch manche Auseinandersetzung, die wir hier haben.

Als sich die Ampel im Februar auf das erste Entlastungspaket geeinigt hatte, spürten wir noch die Hoffnung, dass den Menschen der Ukraine ein Krieg erspart bliebe. Wir hofften auch, dass steigende Energiepreise und die damit ausgelöste fossilgetriebene Inflation nur eine temporäre Erscheinung werden könnten. Nur einen Tag nach der Vorstellung des Entlastungspaketes hatte sich diese Hoffnung auf grausamste Weise zerschlagen. Schnell war klar, dass wir ein zweites Entlastungspaket schnüren müssen, auf das sich die Koalition dann am 24. März auch geeinigt hat.

Mir ist wichtig, zu betonen, dass beide Entlastungspakete eine ganze Reihe von sehr gut aufeinander abgestimmten Maßnahmen beinhalten. Darunter sind Maßnahmen für die Breite der Gesellschaft, aber insbesondere für jene, die es ganz besonders hart trifft, weil sie die fossilgetriebene Inflation und die damit gestiegenen Energiepreise nicht so einfach wegstecken können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich unterstreiche das deshalb, weil die einzelnen Maßnahmen nicht isoliert, sondern im Kontext mit den anderen Maßnahmen gesehen werden müssen, zum Beispiel der früheren Abschaffung der EEG-Umlage oder dem Heizkostenzuschuss.

Hier und heute geht es also um die steuerlichen Aspekte und dabei um drei Maßnahmen aus dem ersten Paket vom Februar. Der Grundfreibetrag wird erhöht, der Arbeitnehmerpauschbetrag ebenso, und die Pendlerpauschale wird angehoben.

Die Anhebung des Grundfreibetrags um 363 Euro auf 10 347 Euro rückwirkend zum Jahresbeginn gehört zu den Maßnahmen, die die ganze Breite der Gesellschaft entlasten; denn sie kommt allen Einkommensteuerzahlerinnen und Einkommensteuerzahlern zugute.

Die zweite Maßnahme betrifft die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags. Auch dies ist eine Erleichterung. Sie bedeutet gleichzeitig eine erhebliche Steuervereinfachung: Mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können so auf das lange Rechnen von Arbeitswegen und das Sammeln von Belegen für ihre Werbungskosten verzichten, weil dies von der höheren Pauschale abgedeckt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zur dritten Maßnahme, der vorgezogenen, aber weiter befristeten Anhebung der Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer. Da hätten wir uns in der Fraktion zugegebenermaßen noch andere Wege vorstellen können. Aber natürlich sehen wir die erhöhte Belastung für Pendlerinnen und Pendler, insbesondere für diejenigen, die keine Alternative zum Auto haben. Die Wirkung der Pendlerpauschale unter ökologischen Gesichtspunkten bleibt jedoch zu diskutieren. Unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit ist sie vielleicht kontraproduktiv. Wohlhabende profitieren sehr viel mehr als Arme. Wer sich ein größeres Auto leisten kann, vielleicht einen großen SUV fährt, erhält eine größere Steuerentlastung als diejenigen, die sich nur den Kleinwagen mit deutlich geringerem CO2-Ausstoß leisten können. Umso froher bin ich darüber, dass wir in der Koalition zusammen mit SPD und FDP vereinbart haben, die Pendlerpauschale noch in dieser Legislatur ökologisch und sozial neu auszurichten. Hier liegen bereits interessante Konzepte auf dem Tisch. Wir werden das auf die Agenda setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit dem Energiegeld, das wir im zweiten Entlastungspaket mit der Energiepreispauschale bereits ein Stück weit vorwegnehmen, ist eine ökologisch wie sozial sinnvolle Maßnahme bereits in Arbeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, der vorliegende Antrag von Ihnen gibt mir die Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Bemerkung. Meine Fraktion war in der Vergangenheit lange – für meinen Geschmack zu lange – in der Opposition und hat sich dabei konstruktiv-kritisch hier im Bundestag mit eigenen Vorschlägen eingebracht. Das ist etwas, was ich von der größten Oppositionsfraktion derzeit noch zu selten höre. Der vorliegende Antrag der Union beinhaltet in der Tat eine Reihe von eigenen Forderungen, ist somit schon einmal ein kleiner Fortschritt.

Es gab in meiner Fraktion in der Oppositionsarbeit aber noch eine andere Maxime, die mich auch als damals Noch-nicht-Parlamentarier immer gefreut hat, die ich immer richtig fand: Fordere in der Opposition nichts, was du in der Regierung nicht selbst umsetzen würdest!

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Hat Olaf Scholz verhindert! Wir wollen es ja!)

Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Und die, fürchte ich, ist mit dem vorliegenden Antrag noch nicht gegeben. Denn, ganz ehrlich, liebe Union, sind Sie wirklich sicher, dass Sie diesen Forderungskatalog auch angegangen und umgesetzt hätten, wenn Sie noch in der Regierung wären in dieser schwierigen Zeit?

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)

– Wirklich? Ich habe da meine Zweifel.

Ich weiß nicht, ob die lange Liste, die uns Kollege Otto Fricke zum Ende der Haushaltsberatungen in der letzten Sitzungswoche so eindrucksvoll präsentiert hat, mit diesem Antrag nicht noch länger geworden ist. Meinen Sie es wirklich ernst, dass Sie hier ein Paket schnüren können – in dieser Situation, mit so vielen Unbekannten in der Zukunft –, das in keiner Weise zielgerichtet ist, mit dem einfach die Gießkanne ausgepackt wird, was Bund, Länder und Kommunen viele weitere Milliarden kosten würde? Verwenden wir diese Milliarden lieber für die kommenden, wirklich schwierigen Aufgaben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Es ist jetzt nicht die Zeit dafür, die große Gießkanne auszupacken, sondern wir müssen da helfen, wo es am meisten brennt: bei den Bürgerinnen und Bürgern und eben auch – und da werden wir, wenn es nötig ist, auch handeln – bei den Unternehmen.

Ich möchte zum Schluss noch die Gelegenheit nutzen, auf ein Wort hinzuweisen, das der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder seit Sonntag zu etablieren versucht. Er malt das Bild einer angeblichen Hyperinflation an die Wand.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: 7,3 Prozent!)

Der Begriff ist offensichtlich bewusst gewählt, nicht aus sachlichen Gründen, sondern um zu emotionalisieren. Auch wenn wir über die Frage, wie wir reagieren, in diesem Hohen Haus kontrovers diskutieren, sollten wir alle, die in Verantwortung stehen, es vermeiden, in diesen uns alle herausfordernden Zeiten Ängste zu schüren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wenn Sie hier Einfluss haben, dann reden Sie bitte mit Markus Söder darüber.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Christian Görke.

(Beifall bei der LINKEN)