Rede von Sylvia Kotting-Uhl Nachhaltigkeit und Klimaschutz

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10.06.2021

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das machen doch die mit euch. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will heute von einem unschönen Begriff reden, nämlich von der Heuchelei, von der Heuchelei über den CO2-Preis in seinen Auswirkungen auf die Benzinpreise und dem, was dazu geäußert wurde. Ich zitiere Olaf Scholz: Wer immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, ignoriert die Nöte der Bürger. – Ich zitiere Andreas Scheuer: In der Mobilität gibt es auch einen sozialen Aspekt. – Die FDP möchte eine Benzinpreisbremse,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Quatsch!)

und die Linke redet von „Klimapolitik auf dem Rücken der kleinen Leute“. – Da haben Sie sich wirklich zu einer ganz großen Koalition der Heuchelei zusammengefunden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von der Verkehrspolitik unseres Verkehrsministers zu reden, lohnt sich schon fast gar nicht mehr. Hätte er mal, wenn er den sozialen Aspekt in der Mobilität wollte, eine ambitionierte Bahnpolitik betrieben, anstatt sich immer nur in Brüssel darum zu kümmern, dass die Grenzwerte nicht abgesenkt werden!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der SUV der kleinen Leute war ihm wichtiger als alles andere.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wer hat denn die Mehrwertsteuer bei der Bahn gesenkt?)

Doch zur Sache.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, reden Sie doch mal zur Sache!)

Nach unserem bisher beschlossenen Klimaschutzgesetz ergibt sich für 2025 ein Aufschlag auf das Benzin von 15,5 Cent.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Warum haben Sie das nicht in der Aktuellen Stunde am Freitag gemacht? Das wäre der richtige Ort gewesen!)

Nehmen wir die heute zu beschließende Verschärfung hinzu, ergibt sich, dass unsere Kandidatin an diesem Ergebnis sehr viel näher dran ist als zum Beispiel der Kandidat der SPD.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin Kotting-Uhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beutin?

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, von mir aus.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der hat doch gerade geredet!)

– Ja, ich bin gefragt worden. Sorry!

Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE):

Liebe Kollegin Kotting-Uhl, hier im Deutschen Bundestag hat Annalena Baerbock in der letzten Sitzungswoche auf meine Frage, ob man mehr Markt oder mehr soziale Gerechtigkeit wolle und ob man das gemeinsam in einem anderen Bündnis oder ohne die CDU machen wolle, gesagt, dass sie beides will, mehr Markt und mehr soziale Gerechtigkeit. Und sie hat Herrn Dobrindt explizit angeboten, diesen CO2-Preis, von dem ihr selber sagt, dass er sozial ungerecht ist, zu erhöhen. Kannst du mir erklären, inwiefern es sozial gerecht sein soll, diesen CO2-Preis gemeinsam mit der Union zu erhöhen? Wie wollt ihr das sozial gerecht machen? Das ist eine vollkommene Heuchelei an dieser Stelle, leider auch von euch.

(Zuruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])

Ihr könnt mit der CDU doch keinen sozial gerechten CO2-Preis machen.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Mir ist es völlig egal, ganz ehrlich, mit wem wir einen sozial gerechten CO2-Preis machen, wenn wir ihn denn bekommen – gerne mit euch, gerne mit der SPD, aber gerne auch mit der CDU, so es denn möglich sein sollte.

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Wir haben aber einen CO2-Preis!)

Ich will mal sagen, was ein sozial gerechter CO2-Preis ist. Niemand hier hat ein Konzept vorgelegt mit einem sozialen Ausgleich plus Lenkungswirkung.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Natürlich! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Lenkungswirkung und sozialen Ausgleich hat man, wenn man das Energiegeld umsetzt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn man den Bürgern das Geld pro Kopf zurückgibt.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Dann hat man einen sozialen Ausgleich, und dann wird die Zahnarztgattin in München, von der es schon wieder heißt, sie kriege das Energiegeld ja genauso wie alle anderen, nicht davon profitieren. Sie profitiert davon nicht; denn sie fährt den SUV, sie wohnt in der großen Wohnung, und sie jettet mal eben zum Wochenende irgendwohin. Genau diese Leute können sich überlegen, ob sie diesen hohen CO2-Preis bezahlen wollen oder ob sie sich umstellen wollen, was wir dringend brauchen.

(Zurufe von der LINKEN)

Die Menschen, die wenig CO2-emittierend leben – das sind die Menschen mit geringen Einkommen –, profitieren von dem Energiegeld. Ihr habt das leider auch immer noch nicht begriffen. Ich fasse es nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Ihr begreift ja alles!)

Ich war bei den Kanzlerkandidaten. Wir haben ja noch einen dritten Kanzlerkandidaten, und da regiert das Prinzip Wegducken. Über Spritpreise so oder so zu reden, das sei kleinteilig, sagt Armin Laschet. Das ist nicht kleinteilig. Das ist die Ehrlichkeit, die wir brauchen. Aber das Wegducken: So, wie sich Armin Laschet in seinem Wahlkreis vor der Konkurrenz, vor einer Auseinandersetzung mit dem Kollegen Oliver Krischer wegduckt, so duckt er sich weg, wenn heute ein Konzept beschlossen wird, das festlegt, wie die Spritpreise sein werden, und hofft, dass es keiner merkt. So funktioniert das nicht, liebe Leute.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So werdet ihr im Wahlkampf nicht reüssieren, und so könnt ihr die Leute auch nicht mitnehmen, wovon Anja Weisgerber zu Recht redet. Die Leute wollen Ehrlichkeit, sie wollen Redlichkeit, sie wollen wissen, was auf sie zukommt. Dann reden wir über den sozialen Ausgleich, und den machen wir am besten über das Energiegeld.

(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Wort zum Schluss noch, weil gesagt wurde, dass sozialer Ausgleich und Sozialpolitik in unserem Konzept nicht vorkämen. Klimaschutz ist Sozialpolitik. Wir wissen ganz genau, dass global wie lokal die Menschen mit kleinem Einkommen, die armen Menschen, den Preis für keine Klimaschutzpolitik, für schlechte Klimapolitik bezahlen werden. Aber auf der anderen Seite kann es auch nicht sein, dass verfehlte Sozialpolitik, für die nicht die Grünen in den letzten Jahren zuständig waren, sondern diese Parteien hier,

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Was ist denn mit dem Bundesrat? Denken Sie an Ihre Beteiligung an Landesregierungen!)

heute allein über Klimaschutzpolitik ausgeglichen werden soll. So funktioniert das auch nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Jetzt erhält das Wort der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Peter Tschentscher.

(Beifall bei der SPD)