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19.05.2022

Dr. Anne Monika Spallek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeden Tag, wenn wir die Nachrichten verfolgen, sehen wir unfassbares Leid: Familien weinen um ihre Kinder, um Angehörige, um ihre Heimat. Viele wissen nicht, wann und ob sie wieder zu essen bekommen – in der Ukraine, in den Kriegsgebieten, aber auch weltweit.

Wir sehen brennende ukrainische Weizenfelder, zerstörte Lagerhallen, bombardierte Transportwege. Genauso sehen wir aber auch in Indien, im zweitgrößten Anbauland für Weizen, unfassbare Hitzen und Überschwemmungen. Und wir sehen Menschen, die sich am Horn von Afrika auf den Weg in eine neue Heimat machen, weil sie in ihrem Land aufgrund von Dürren sonst verhungern würden. Gleichzeitig sehen wir Börsenpreise für Weizen, die auf den höchsten Stand der Geschichte schnellen.

All diese Bilder sind kaum zu ertragen, und sie lähmen fast meinen Verstand. Aber wir dürfen uns nicht lähmen lassen und einseitig Schnellschüsse machen. Wir müssen alle Krisen zusammendenken – das ist jetzt unsere Verantwortung –, das heißt auch frei von allen fossilen Energieträgern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen jetzt den Mut haben, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen, wie es schon Immanuel Kant anmahnte. Sie aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, schlagen mit der kompletten Aufhebung der Pflicht zur 4-prozentigen Stilllegung eine Rolle rückwärts vor – als gäbe es keine Biodiversitäts- und keine Klimakrise.

(Klaus Stöber [AfD]: Oh!)

Sie wollen ernsthaft alte Brachen wieder umbrechen, was wiederum einen erheblichen CO2-Ausstoß nach sich ziehen würde?

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: In ganz Europa wird das gemacht, nur in Deutschland nicht!)

Und Sie wollen ernsthaft auf ertragsschwacher Biodiversität massenhaft teuren Dünger verwenden, damit dort minimal Weizen wächst?

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Da verhungern Leute!)

Und Sie wollen ernsthaft die für die Biodiversität so wichtigen Hecken und Landschaftselemente roden lassen,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Völliger Unsinn!)

den Boden beackern und dann Weizen anbauen? Nein, das würde nicht viel helfen, sondern mehr schaden. Darin waren sich die Experten in der Anhörung auch einig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Realitätsverweigerung! Das stimmt doch gar nicht!)

Es gibt ja klügere Lösungen, und die gehen wir bereits an; da bin ich unserer Ministerin auch sehr, sehr dankbar. Wir wollen den Einsatz von Nahrungs- und Futtermitteln für Biokraftstoffe schnell senken, bis 2030 auf null. Bereits 2023 sollen so 1,1 Millionen Hektar Anbauflächen frei werden. Das entspricht 4,2 Millionen Tonnen Weizen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das Fruchtwechselgebot um ein Jahr verschoben, was wieder mehrere Millionen Tonnen Weizen möglich macht. Und vor allem leiten wir mit der Ernährungsstrategie und dem Umbau der Tierhaltung Langfristmaßnahmen ein; denn wenn wir weniger Fleisch essen, brauchen wir viel weniger Futteranbauflächen. Dazu ist es noch erheblich gesünder.

In Ihrem Antrag lese ich darüber gar nichts.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Anne Monika Spallek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Fakt ist: Es gab doch vor der Ukrainekrise schon Hungernde: 800 Millionen!

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Anne Monika Spallek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lassen Sie uns doch besser jetzt gemeinsam an klugen, integrierten und differenzierten Lösungen arbeiten,

(Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Bis dahin verhungern die Menschen in Afrika!)

die die Resilienzfähigkeit der Agrarsysteme insgesamt und auch die Selbstversorgungsquote in den Regionen erhöhen. Dazu lade ich Sie ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Sie waren noch nie in Afrika, oder?)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Spallek. – Nächster Redner ist der Kollege Dieter Stier, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)