Karl Bär MdB
30.11.2023

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen! Unser Planet hat Grenzen, und wenn wir die überschreiten, dann wird es für uns Menschen ziemlich ungemütlich. Im Kern der ökologischen Katastrophe, auf die wir gerade zurasen, steckt die Frage: Wie sichern wir die Ernährung für Milliarden von Menschen?

Von den neun planetaren Grenzen, über die die Wissenschaft redet, reißen wir gerade sechs: die Erhitzung der Atmosphäre, die Entwaldung, die Störung der Kreisläufe von Stickstoff und Phosphor, die Zerstörung der Biodiversität, der Verbrauch von Süßwasser und der Eintrag neuartiger Substanzen wie Chemikalien, modifizierte Lebewesen, Radioaktivität und Mikroplastik in die Natur. Bei jeder einzelnen davon befinden wir uns in einem Raum, in dem wir nicht dauerhaft sicher wirtschaften können.

Wer in dieser Situation behauptet, nur mit Pestiziden, Gentechnik und viel Kunstdünger könnten wir uns ernähren, der hat den Knall echt nicht gehört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Sie haben es nicht begriffen, Herr Bär! Sie haben es nicht begriffen!)

Wer so argumentiert, ist offensichtlich an der Ernährungssicherung nicht interessiert,

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Ha!)

sondern daran, dass sich die Chemieindustrie mit der Landwirtschaft weiter die Taschen vollmachen kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist das Bild, das Sie zeichnen!)

Wer sich wundert, wieso die Inflation bei Obst und Gemüse oder bei Olivenöl jetzt immer noch so hoch ist, obwohl die Energiepreise dank Robert Habeck wieder sinken, der sollte schauen, wo Oliven, Tomaten, Gurken und Ähnliches herkommen: zum Beispiel aus Italien und Spanien, wo es durch die Klimakrise gerade ein richtiges Problem bei der Wasserversorgung gibt.

Wir haben Gott sei Dank auch Lösungen für dieses Problem. Auf ungefähr einem Viertel der Äcker in Deutschland – nur auf einem Viertel! – wachsen Pflanzen, die wir Menschen essen. Das ist das Getreide für unser Brot, der Hafer für die Hafermilch, das sind Kartoffeln und Gemüse. Auf einem weiteren Viertel wachsen nachwachsende Rohstoffe wie Raps, den wir in Autos verbrennen, und Mais für Biogasanlagen. Auf der anderen Hälfte wächst Tierfutter. Wir könnten es uns leisten, Europa ganz auf Bio umzustellen und auf 10 Prozent der Ackerflächen der Natur die Vorfahrt zu geben, und könnten trotzdem mehr exportieren als importieren – anders als heute –, wenn, ja wenn wir darauf verzichten würden, aus Essen Sprit zu machen, und wenn wir es schaffen würden, dass wir alle im Durchschnitt weniger Fleisch, Eier und Milchprodukte essen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Kulturkampf ums Fleisch, den manche hier aufmachen, richtet sich gegen eine Mehrheit der Menschen in unserem Land, die gar nicht ständig Fleisch essen wollen. Bei denen muss ich mich jetzt mal bedanken. Danke! So kann es weitergehen. Und danke auch an den Haushaltsausschuss, der vor zwei Wochen noch etwas Geld freigeschaufelt hat für ein Chancenprogramm für Landwirtinnen und Landwirte, die sagen: Wenn du heute kein Schnitzel essen willst, dann habe ich auch was anderes für dich. – Da steckt Musik drin, auch ökonomisch. Das ist Zukunft.

Die Anträge der CDU/CSU stecken fest in den 90er-Jahren. Da wird gedüngt nach dem Motto „Viel hilft viel“. Da kommt Gift und Gentechnik auf die Felder, bis der Arzt kommt. Das hat hier keine Mehrheit mehr.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Susanne Mittag [SPD] und Christoph Meyer [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Albert Stegemann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Albert, jetzt bring da mal Licht ins Dunkel!)