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06.05.2020

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war ein Schnellschuss kurz vor der Bundestagswahl, unausgegoren und mit vielen handwerklichen Mängeln, bei denen von Anfang an Nachbesserungen notwendig waren.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Dafür finden Sie keinen Sachverständigen mehr, der das wiederholt! Meine Güte! Nur Ladenhüter!)

Aber statt aus Erfahrung zu lernen und die angekündigte Evaluierung abzuwarten, geht das Durcheinander munter weiter, und leider quietscht es auch bei den Nachbesserungen gewaltig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Gesetz hat zum Ziel – das teilen wir –, gegen Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken vorzugehen. Laut Entwurf sollen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes Videosharingdienste herausfallen, die ihren Hauptsitz nicht in Deutschland haben. Wer von der Tapete bis zur Wand denken kann, weiß: Das betrifft YouTube und, noch absurder, Facebook. Facebook fällt zwar unter das Gesetz, aber nicht die dort geteilten Bewegtbilder, die ja zentraler und besonders lukrativer Bestandteil des Angebotes sind. Diese verquere Lösung mussten Sie vornehmen, weil die AVMD-Richtlinie keinen Zweifel daran lässt, dass für diese Videosharingplattform das Herkunftslandprinzip anzuwenden ist. Viele weisen darauf hin, dass dies nach der E-Commerce-Richtlinie sowieso für alle sozialen Plattformen gelte. Zudem ist gerade die Digital-Services-Act-Richtlinie in Arbeit. Auch diese wird Auswirkungen auf die nationale Plattformregulierung haben.

Die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht ist das eine, das Zuständigkeitswirrwarr zwischen Bund und Ländern das andere; denn es entstehen Doppelstrukturen auf Ebene des Bundes und der Länder, die im Medienstaatsvertrag bereits Teile der AVMD-Richtlinie zur Plattformregulierung umsetzen. Auf Kompetenzprobleme habe ich von Anfang an hingewiesen, auch auf die langjährige Erfahrung der übrigens staatsfern organisierten Landesmedienanstalten. Jetzt kann es passieren, dass ein strafrechtsrelevanter Inhalt bei vier verschiedenen Stellen Gegenstand eines Verfahrens wird, nämlich bei einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung, dem Bundesamt für Justiz, der Staatsanwaltschaft und der Kommission für Jugendmedienschutz, also der gemeinsamen Einrichtung der Landesmedienanstalten. Das Mindeste wäre, einheitliche Standards festzulegen und die Kooperation zu gewährleisten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig! Das sollten wir nachbessern!)

Es entsteht noch ein zusätzliches Problem. Das Bundesamt für Justiz, das ja dem Bundesjustizministerium direkt unterstellt ist, soll Aufsichtsbefugnisse erhalten. Da sehe ich die verfassungsrechtlich gebotene Staatsferne bei der Regulierung publizistischer Inhalte gefährdet. Das darf nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An manchen Stellen haben Sie zwar zentrale Forderungen von uns aufgegriffen, wie das Put-back-Verfahren, allerdings springen Sie auch hier zu kurz. Das vorgesehene Gegenvorstellungsverfahren sieht keinen Rechtsanspruch auf Wiederherstellung eines Inhalts vor, falls dieser unbegründet oder aufgrund missbräuchlicher Angaben entfernt wurde. Auch hier müssen Sie dringend nachbessern, um die Meinungsfreiheit zu sichern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Fazit: Das NetzDG bleibt unausgegoren und europa- wie verfassungsrechtlich problematisch. Gönnen Sie Ihren Nachbesserungen doch noch weitere Nachbesserungen!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Jens Zimmermann.

(Beifall bei der SPD)