Rede von Friedrich Ostendorff Nitrate im Wasser

28.06.2018

Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Gerichtshof hat am 21. Juni 2018 mit seinem Urteil wegen Nichterfüllung der EU-Nitratrichtlinie der Bundesregierung eine heftige Quittung für ihr jahrelanges Nichtstun gegen die Wasserverschmutzung mit Nitrat ausgestellt.

Schon am 4. Mai 2018 hat die EU-Kommission im Nitratbericht die hohe Belastung des Grundwassers durch Nitrate in Deutschland, besonders in Tierhaltungskonzentrationsgebieten, gerügt. Deutschland hat in der EU nach wie vor mit die höchste Nitratbelastung von Grundwasser. 28 Prozent der Messstellen weisen mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter auf. Wir haben damit ein Riesenproblem. Das Problem lautet: zu viel Tiere auf zu wenig Raum. Das zeigen auch die Zahlen aus dem Nitratbericht der EU-Kommission. Von 2010 bis 2013 haben 5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben, die durchschnittliche Größe stieg um 4,9 Prozent, die Gesamtzahl der Tiereinheiten erhöhte sich um 3,5 Prozent. Der Vergleich der Bezugszeiträume 2008 bis 2011 und 2012 bis 2015 zeigt: In diesem Zeitraum hat die Zahl der Schweine abermals um 4,3 Prozent, die Zahl bei Geflügel um 37 Prozent zugenommen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheidend ist für uns in der Betrachtung: Am Ende dieser massiven Konzentration stehen die enormen Güllefluten. Sie belasten unser Grundwasser, unser Süßwasser in Flüssen und Seen, und tragen zur Eutrophierung küstennaher Ökosysteme aber auch der Weltmeere bei. Der Stickstoffeintrag in die Biosphäre ist neben dem Artensterben die größte Belastung unserer planetaren Grenzen und eine der dringendsten globalen Aufgaben, die wir lösen müssen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, Deutschland ist beim EuGH-Verfahren mit der Übernahme der Verfahrenskosten ausgesprochen glimpflich davongekommen. Das liegt aber nicht an ihren Leistungen beim Wasserschutz, sondern allein daran, dass es ein Feststellungsurteil war, das sich auf die alte Düngeregelung bezog, und dass es ausdrücklich nicht um Strafzahlungen ging. Der Ball liegt nun aber wieder bei der EU-Kommission. Sie muss über mögliche Strafzahlungen und die neue nachgebesserte Düngeregelung von 2017 entscheiden.

Der Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs bestätigt aber, dass die Bundesregierung über Jahre nichts getan hat, sondern die Probleme immer wieder auf die lange Bank schob und die fachlichen Verbesserungen und Empfehlungen der Wissenschaft, die uns weitergebracht hätten, immer ignoriert hat.

2017 haben Sie von der Koalition mit schwersten Geburtsschmerzen die neue Düngegesetzgebung auf den Weg gebracht. Wir als Fachpolitiker entsinnen uns noch alle daran, welche Schlachten da geschlagen wurden. Die Vorgaben – so lesen wir – sind lascher geworden, nicht strenger; so lautet das aktuelle Gutachten des renommiertesten Düngeexperten Deutschlands, Professor Taube. Aber auch die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser spricht sich für deutliche Nachbesserungen beim Düngerecht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Professor Taube listet auf 25 Seiten minutiös die Defizite des neuen Düngerechts auf. Und Professor Taube ist als Schattenminister des CDU-Kandidaten Günther in Schleswig-Holstein nicht verdächtig, Grünen-nah zu sein. Er listet minutiös die vielen neuen großen und kleinen Baustellen auf. Wir haben hier ganz sicher noch ganz viel zu tun. Die Schlupflöcher müssen unbedingt geschlossen werden; ansonsten reicht es nicht aus, die Probleme zu lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit einigen Tagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt aber auch eine umfassende Studie aus Bayern vor, die Standardberechnungswerte für Gülle untersucht und diese mit den Nährstoffen vergleicht, die sich in der tatsächlich ausgebrachten Gülle finden. Siehe da, es fand sich zwischen dem Wert der Standardberechnungsmethode – 3,8 Prozent Nitrat pro Kubikmeter Gülle – und den tatsächlich gemessenen Werten von 7 bis 9 Kilogramm Nitrat eine gewisse Spreizung. Wir müssen also in Betracht ziehen, ob der Kubikmeter Gülle vielleicht deutlich mehr Nitrat auf den Acker bringt als bisher angenommen.

Wir als Grüne glauben, dass Deutschland sich wieder auf dem Weg in ein neues Vertragsverletzungsverfahren befindet. Es wird ja gerne vom „Musterknaben Europas“ gesprochen und von Übererfüllung europäischer Vorgaben – wie man das zusammenbringen kann, kriegen wir nicht auf die Reihe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der Union und der SPD: Sie müssen nacharbeiten. Die Düngegesetzgebung muss überarbeitet werden. Die Nitratfrachten müssen drastisch reduziert werden. Die Zukunft der deutschen Tierhaltung kann nicht darin liegen, die Welt mit Billigfleisch zu überschwemmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir brauchen eine andere Agrarpolitik. Wir brauchen den Umbau der Tierhaltung. Agrarpolitik für Mensch und Umwelt ist gefragt statt Agrarindustrie auf Kosten der Umwelt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

aber auch auf Kosten der Gesellschaft.

Der Schutz des Wassers hat oberste Priorität. Die Politik der Großen Koalition des sehenden Verdrängens müssen wir endlich beenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)