Rede von Dr. Kirsten Kappert-Gonther Öffentlicher Gesundheitsdienst

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12.02.2021

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme es Ihnen von der Koalition tatsächlich ab, dass Sie etwas zur Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und zur Stärkung der Gesundheitsämter beitragen möchten.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: Und schon getan haben!)

Aber: Ich möchte Ihnen zurufen: Machen! Sie stellen diese Regierung!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Krauß [CDU/CSU]: Deshalb haben wir schon 4 Milliarden Euro bereitgestellt!)

– Die Mittel aus dem Pakt für den ÖGD, die Sie bereitstellen – das stimmt –, kommen zu spät. Es ist zu wenig, und zu allem Überfluss sind sie befristet. Das ist nicht nachhaltig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])

Mit Ihrem eiligen Notprogramm zur Abschaffung der Faxgeräte und mit den Einsätzen der Bundeswehr versuchen Sie jetzt, die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsämter zu sichern. Das reicht nicht. Noch immer arbeiten die Mitarbeitenden in den Gesundheitsämtern weit über ihre Belastungsgrenze hinaus. Durch ihren hohen Beitrag und ihre hohe Arbeitsbereitschaft tragen sie uns ganz maßgeblich durch diese Pandemie. Danke!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Endlich rückt der ÖGD in das Zentrum der Aufmerksamkeit, und da gehört er hin. Die Gesundheitsämter sind jetzt besonders wichtig: für den Infektionsschutz, für die Kontaktnachverfolgung, für die Eindämmung dieser Pandemie. Der ÖGD hat aber auch darüber hinaus ganz wichtige Aufgaben für die Sorge um die Gesundheit aller. Schon vor der Pandemie war der ÖGD eine entscheidende Säule dieses Gesundheitswesens, aber leider hat es erst diese Krise gebraucht, um die Bedeutung der Gesundheitsämter für die Sorge um unser aller Gesundheit zu erkennen. Viel zu lange war der ÖGD Opfer von Sparzwängen der Länder, und der Bund hat sich zu lange gar nicht gekümmert.

Schon lange vor Beginn der Pandemie haben die Suchtberatung, der Bereich Lebensmittelsicherheit und die Gesundheitsberichterstattung mit viel zu wenig Personal auskommen müssen. Die Schuleingangsuntersuchungen haben zum Teil gar nicht mehr stattgefunden. Auch die Zahnprophylaxe in den Grundschulen durch Zahnärztinnen und Zahnärzte im Auftrag der Gesundheitsämter ist vielerorts ausgefallen, und die Last tragen die Kinder, vor allem die Kinder aus Familien, deren Eltern es aus verschiedensten Gründen nicht schaffen, mit ihren Kindern zur Prophylaxe zu gehen. Das darf doch so nicht bleiben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Edgar Franke [SPD])

In unserem reichen Land gehen die Gesundheitschancen und die Lebenserwartung zwischen armen und wohlhabenden Menschen so auseinander. Das ist ein Armutszeugnis. Auch das muss sich endlich ändern,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und hierfür können – und das ist ein entscheidender Gedanke – gut ausgestattete Gesundheitsämter einen erheblichen Beitrag leisten.

Diese Pandemie ist schwierig. Sie bringt viele von uns an den Rand ihrer Kräfte. Wir können aber, wenn wir bereit sind, wirklich hinzugucken, aus dieser Pandemie auch lernen, was wir künftig besser machen müssen. Diese Krise zeigt uns, dass unsere Gesundheit nicht nur von uns individuell abhängt, sondern dass unsere Lebensbedingungen, unsere Umwelt entscheidend für unsere Gesundheit sind. Sie lehrt uns, dass wir die Sorge um die Gesundheit aller – Public Health – endlich stärker verankern müssen, wie es in vielen Ländern schon längst der Fall ist. Sie zeigt uns, dass wir starke und gut vernetzte Public-Health-Institutionen brauchen, und hier liegt die entscheidende Chance für den ÖGD der Zukunft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gesundheitsämter brauchen jetzt und auf Dauer eine stabile Finanzierung, und dafür schlagen wir in unserem Antrag vor, die Ausgaben für den ÖGD dauerhaft mindestens zu verdoppeln. Wenn diese Basis gesichert ist, dann kann endlich besser in die interprofessionellen Public-Health-Konzepte und die Kooperation mit Kitas, Schulen, Sportvereinen investiert werden. Der ÖGD kann dann mehr in die Gesundheitsförderung vor Ort einbezogen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So stärken wir die Gesundheitschancen aller nachhaltig.

Diese Pandemie wird nicht die letzte sein. Wir müssen uns besser wappnen. Wir brauchen einen Gesundheitscheck bei allen politischen Entscheidungen. Wir müssen bei jeder politischen Entscheidung überprüfen, welche gesundheitlichen Auswirkungen sie hat; denn ob Verkehrs- oder Agrarpolitik, ob Sozial- oder Bildungspolitik: Alle politischen Entscheidungen haben einen Einfluss auf unsere Gesundheit. Und wenn wir nicht endlich zu konsequentem Umwelt- und Klimaschutz übergehen, steigt die Gefahr weiterer Pandemien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine gute Gesundheitsversorgung ist es elementar wichtig, dass wir künftig nicht mehr auf das Präventionsparadoxon hereinfallen: Je besser die Arbeit der Gesundheitsämter sein und der Öffentliche Gesundheitsdienst funktionieren wird, je stärker Public Health, je nachhaltiger die Gesundheitsförderung, desto weniger sichtbar wird in Zukunft die akute Notwendigkeit von Gesundheitsämtern sein. Dann aber dürfen wir nicht zulassen, dass wieder der Rotstift angesetzt wird; denn das würde sich spätestens in der nächsten Krise rächen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In unserem Antrag steht, was wir sofort tun können, was wir sofort tun sollten, um den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu dem zu entwickeln, was er sein kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident in Dagmar Ziegler:

Vielen Dank. – Das Wort geht an Tino Sorge von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)