20.04.2023

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen aus den demokratischen Fraktionen! Wir beginnen heute die Debatte um eine Änderung des Öko-Landbaugesetzes. Das ist eine gute Sache. Pro Hektar spart ökologische Landwirtschaft der Gesellschaft ungefähr 800 Euro externe Kosten. Pro Hektar bindet Ökolandbau 260 Kilogramm CO2 im Jahr. Er wirkt positiv auf das Bodenleben, spart die Hälfte der Energie, weil weniger künstlicher Stickstoffdünger und Pestizide eingesetzt werden – das schützt die Artenvielfalt und das Grundwasser vor zu viel Stickstoff und Pestiziden –, hat hohe Tierschutzstandards, produziert rückstandsfrei gute Lebensmittel und schafft ein stabileres Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr kann man gar nicht wollen!)

Kurz zusammengefasst: Ökolandbau ist gut fürs Klima, gut für die Umwelt, gut für die Tiere, gut für die Menschen, gut für die Landwirtschaft.

Es ist daher kein Wunder, dass die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft in den letzten Jahrzehnten einen Rekord nach dem anderen gebrochen hat. Viele Menschen wollen eine ökologische Landwirtschaft und kaufen ihre Produkte. Einen besonders krassen Boom gab es in den Jahren 2020 und 2021. Im Lockdown wollten die Leute gutes Essen. Und die gestörten Lieferketten weltweit haben vielen klargemacht, welch großen Wert eine regionale Versorgung mit Lebensmitteln hat. Die Nachfrage nach Bio und nach Direktvermarktung ist explodiert.

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Und wo kommt die Ware her?)

Und – das ist jetzt wichtig für das Thema – statt in der Mensa oder in der Kantine haben viele Leute, die im Homeoffice oder im Homeschooling waren, zu Hause gegessen, und da ist die Nachfrage nach Biolebensmitteln einfach größer. Die Entwicklung, die der Biomarkt und die Direktvermarktung in den Lockdowns wegen der Pandemie, davor und danach gemacht haben, ist ein starkes Indiz dafür, dass wir hier ein Stück weit eine Nachfrage nach Biolebensmitteln haben, die im Alltag normalerweise nicht erfüllt werden kann. An einem normalen Wochentag essen ungefähr 17 Millionen Menschen in Deutschland in Kantinen und Mensen und anderen Außer-Haus-Verpflegungseinrichtungen. Da gibt es Leuchttürme, da gibt es oft auch Fairtrade-Kaffee und das ein oder andere Bioprodukt, aber es gibt eben viel weniger Bioprodukte, als die Leute kaufen würden, wenn sie für zu Hause einkaufen würden.

Wir ändern jetzt das Öko-Landbaugesetz und das Öko-Kennzeichengesetz, damit es für die Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung einfacher wird, klarzumachen, wo Biolebensmittel drin sind, damit es für die Kundinnen und Kunden einfacher wird, sich ihren Wunsch nach Ökolebensmitteln zu erfüllen, damit Landwirtinnen und Landwirte einen größeren Markt für Biolebensmittel haben, damit sie auf ihren Feldern auf Ökolandbau umstellen und so ein Mehrwert für uns alle entsteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])

Das macht uns jetzt noch ein wenig Arbeit. Der Gesetzentwurf wird heute an die Ausschüsse überwiesen. Dann kommt er zurück ins Plenum. Das Ministerium muss eine Verordnung vorlegen. Der Bundesrat muss der auch noch zustimmen. Erst dann kommen die neuen Biosiegel in die Kantinen, und zwar nicht nur für einzelne Zutaten, sondern auch für ganze Gerichte und die Einrichtungen selbst. Wir schaffen damit mehr Transparenz, und wir schaffen ein Stück Bürokratie ab.

Landwirtschaftsminister Özdemir hat gestern schon einmal vorgestellt, wie das aussehen könnte. In Zukunft kann, wer zwischen der Hälfte und 90 Prozent Biolebensmittel hat, ein silbernes Biosiegel für seine Kantine bekommen. Ein bronzenes und ein goldenes gibt es auch. Auf diese Art und Weise wird ein Restaurant nicht gleich zu einem Biorestaurant – es geht um die Hälfte, 60 Prozent, 90 Prozent Biolebensmittel –, aber ich als Kunde kann sehen: Hier wird ein relevanter Anteil der Zutaten aus der ökologischen Landwirtschaft bezogen. Und für die Öko-Kontrollstellen und die Einrichtungen sparen wir uns damit Bürokratie. Sie müssen sich nicht komplett zertifizieren lassen. Damit es nicht zu kompliziert wird, wird die Prozentzahl am Warenwert der Zutaten gemessen.

Damit wird nicht alles gut, aber es wird einiges besser. Es gibt besseres Essen für viele Leute, es gibt eine Chance auf dem Biomarkt für viele Landwirtinnen und Landwirte, es gibt mehr Tierschutz, mehr Klimaschutz, mehr Artenvielfalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir lösen mit dem Gesetz gleichzeitig ein anderes Problem, das ein bisschen technisch ist. Dabei geht es um die Art und Weise, wie die Bundesländer die Öko-Kontrollstellen beauftragen oder beleihen. Wir geben den Ländern für die Art und Weise dieser Beauftragung ein wenig mehr Freiheit und vor allem ein Stück Rechtssicherheit zurück. Davon werden die meisten Menschen nichts mitbekommen. Für die Bäuerinnen und Bauern, für die Verbraucherinnen und Verbraucher ändert sich dadurch nichts. Die Länder bekommen aber ein Stück mehr Rechtssicherheit. Das haben sich die Bundesländer alle gewünscht, egal ob Rote, Schwarze, Grüne, Gelbe, Dunkelrote in den Regierungen dabei waren.

Ich hoffe, dass dieses Gesetz hier eine genauso große Zustimmung erfährt. Das ist ein Supergesetz: Es kostet uns keine Steuergelder, es wird nichts verboten, es wird niemand zu etwas gezwungen – und trotzdem kann das Gesetz sehr viel fürs Gemeinwohl bewirken.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Alexander Engelhard für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dieter Stier [CDU/CSU]: Erzähl mal, wie das wirklich ist! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Bring mal ein bisschen Licht ins Dunkel!)