Rede von Omid Nouripour Fortsetzung SEA-GUARDIAN-Einsatz
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Parlamentsvorbehalt ist eine sehr ernste Sache. Er dient dazu, die Entsendung von Militär in Konflikte oder potenziell gefährliche Regionen durch gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter zu legitimieren.
(Ulrich Lechte [FDP]: Das sind wir ja hoffentlich alle!)
Er schafft damit auch eine Verantwortung dieses Hauses für diejenigen Soldatinnen und Soldaten, die wir entsenden, und er schafft eine Verantwortung für die politischen Kontexte, in denen sie handeln. Doch diese Verantwortung können wir nur übernehmen, wenn wir wissen, wofür. Eine Aussage dazu findet sich in diesem Mandatstext leider mitnichten konkret wieder.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung fordert von uns nun also zum vierten Mal einen Blankoscheck. Wir werden das vierte Mal einen solchen Blankoscheck nicht ausstellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Frage nach dem Sinn dieses Mandates ist bereits in der ersten Lesung und auch in den Ausschussberatungen ausführlich diskutiert worden. Der Kollege Lindner hat diese Frage für meine Fraktion in der ersten Lesung auch konkret gestellt. Der sinnvolle Kern dieser Mission könnte ja auch durch NATO-Routine übernommen werden.
Der seerechtliche Kern aller Missionen im Mittelmeerraum – das betrifft sowohl Sophia als auch Sea Guardian –, nämlich die Rettung der zahllosen Schiffbrüchigen im Mittelmeer, wird zurzeit durch die Regierung in Rom torpediert. Wenn Boote voller Menschen, die knapp dem Tod entronnen sind, in Europa nicht nur keinen Hafen finden, sondern diejenigen, die sie retten, und zwar gemäß dem internationalen Seerecht retten, nun auch strafrechtlich verfolgt werden, dann ist das schlicht eine politische und moralische Bankrotterklärung,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
vor allem wenn man sich ansieht, was den Menschen droht, wenn sie in Lager nach Libyen zurückgebracht werden, die im Übrigen teilweise von der gleichen Küstenwache betrieben werden, die die EU nun auszubilden versucht. Sie alle kennen die Bilder von menschenunwürdigen Gefängnissen und Sklavenauktionen, die Geschichten von Erpressung und Misshandlung.
Es wäre doch eine Erleichterung, wenn wir das Gefühl hätten, dieses Mandat wäre nur überflüssig. Das ist aber nicht so. Es ist und bleibt ein gefährliches Mandat; denn es beinhaltet die Möglichkeit, dass die Bundeswehr sich ohne weitere Konsultationen am Kapazitätsaufbau und am Informationsaustausch mit allen Mittelmeeranrainern beteiligt – mit allen! Schauen wir uns mal ein paar Beispiele an. Das Beispiel Libyen habe ich gerade genannt.
Schauen wir uns mal das Beispiel Ägypten an: Die angeschobene Verfassungsänderung wird die Demokratie in diesem Land, eine Demokratie, die ohnehin seit einigen Jahren nur noch auf dem Papier besteht, endgültig zerstören. Ein Land im Übrigen, von dem ranghohe Offizielle in diesen Tagen proklamiert haben, die Menschenrechte würden nicht universell gelten. Wer trägt diese Entwicklung in Ägypten? Es ist das Militär, das den Sicherheitssektor, die Wirtschaft und nun demnächst auch mit Brief und Siegel den gesamten Staat kontrolliert. Und Sie wollen von uns einen Blankoscheck, damit Sie mit diesem Militär so zusammenarbeiten können, dass Sie es ertüchtigen und mit ihm Kapazitätsaufbau betreiben? Sie wollen, dass wir Ihnen einen Blankoscheck dafür geben, dass Sie Informationen zu Terrorismus mit einem Staat austauschen, in dem es mittlerweile gang und gäbe ist, dass zivilgesellschaftliche Akteure einfach als Terroristen annonciert und ins Gefängnis gesteckt werden?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Es gibt einen Musiker, er heißt Rami Sidky – er ist im Übrigen frischgebackener Vater eines Kindes mit deutschem Pass –, der wegen eines Liedes, mit dem er gar nichts zu tun hat, verhaftet wurde und nun der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt wird. Sie wollen, dass wir jetzt zustimmen, dass Sie mit einem solchen Land Informationsaustausch über Terrorismus bei einem so ausgeleierten und missbrauchten Terrorismusbegriff betreiben? Das werden wir nicht tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich könnte weitere Beispiele nennen. In Algerien gehen Millionen Menschen auf die Straße, um gegen die autokratische Gerontokratie dort zu protestieren. Sie wollen von uns, dass wir Ihnen einen Blankoscheck für eine militärische Kooperation mit dieser Diktatur geben? Das ist ein falscher Weg. Diesen falschen Weg werden Sie allein gehen müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias Höhn [DIE LINKE])