10.06.2021

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Patentrecht zu vereinfachen und zu modernisieren, ist überfällig. Wie Kaugummi zieht sich dieses Reformvorhaben hin, und ein großer Wurf ist es schon gar nicht. An einigen Stellen wird etwas herumgedoktert, aber vorausschauende und zukunftsfeste Lösungen für Software oder den biotechnologischen Bereich finden sich gar nicht. Schade!

Umso schwerer wiegt der Umstand, dass Sie für klassisch technische Erfindungen, deren Patentierbarkeit außer Frage steht, das Schutzniveau im Rahmen des Unterlassungsanspruchs bedenklich aufweichen – mit negativen Auswirkungen für den gesamten Innovations-, Technologie- und Gerichtsstandort Deutschland. Zur Erinnerung: Der Unterlassungsanspruch ist das einzige Rechtsinstrument, mit dem eine Patentinhaberin bzw. ein Patentinhaber verhindern kann, dass die Erfindung ohne Zustimmung weitergenutzt wird.

Nun kommt es sogar schlimmer: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung im neuen § 139 PatentG haben Sie als rechtsvernichtende Einwendung ausgestaltet. Wir Grüne hatten eine rechtshemmende Einwendung vorgeschlagen, damit nur die Durchsetzung des Anspruchs bei Bejahung der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen wird. So würde der Anspruch in seinem Bestand unangetastet bleiben.

Sie schaffen zudem mit der ausufernden Verhältnismäßigkeitsprüfung fatale Fehlanreize. Fast wird der Eindruck erweckt, der Ehrliche sei der Dumme, wenn er Patentlizenzen rechtmäßig erwirbt; denn bei einem Verstoß fällt das Prozessrisiko noch geringer aus, als es ohnehin schon ist. Und anders als in den USA gibt es bei uns ja als abschreckende Drohkulisse keine hohen Schadensersatzsummen. Schon jetzt scheuen viele kleinere Patentinhaberinnen und Patentinhaber die kostenintensiven und langen Verfahren.

Gegen die Neuerungen im § 139 Patengesetz sind sämtliche Fachexpertinnen und Fachexperten von der Patentanwaltskammer, dem Deutschen Anwaltverein bis zur Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Sturm gelaufen.

Ich halte dem Justizministerium mal zugute, nicht beratungsresistent zu sein. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass Sie Branchenriesen – insbesondere aus der Automobilsparte – kurzzeitig Erleichterung verschaffen wollen, und zwar auf Kosten all der anderen Unternehmen, die hohe finanzielle und personelle Kapazitäten in ihre Entwicklungen gesteckt haben und nun um ihre Patente fürchten müssen. Ausbaden werden diese Kungelei besonders kleine innovative Unternehmen und Soloentwickler/‑innen; denn von der Berücksichtigung von Drittinteressen profitieren überwiegend große technologieintegrierende Konzerne, da sie viele Abnehmer/‑innen, Zulieferinnen und Zulieferer und Beschäftigte haben.

Was aber jetzt passieren wird, ist genau das Gegenteil des eigentlichen Ziels der Reform: Die Verfahren werden aufgeblasen und verlängern sich. – Auf diese Folgen wurde bereits hingewiesen. Das wäre fatal auch im Hinblick auf die ohnehin knappen personellen Ressourcen der Gerichte.

Zum Schluss noch eine Bemerkung abseits der speziellen Patentregelungen: Geschlechtergerechte Sprache ist kein Hexenwerk. Daher ist es bedauerlich, dass versäumt wurde, die Terminologie geschlechtsneutral anzupassen. Es wäre doch ein Leichtes, den Begriff „Fachmann“ durch „fachkundige Person“ zu ersetzen. Das wäre dann wirklich – zumindest sprachlich – ein modernes Gesetz.