Rede von Cem Özdemir Personenbeförderungsgesetz

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05.03.2021

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nahezu jeder Mensch hat ständig mit diesem Gesetz zu tun: unzählige Fahrerinnen und Fahrer durch ihren Job, aber auch sonst fast alle; denn fast jeder fährt mal mit dem Bus, mit der Tram, mit dem Taxi, mit Uber, mit MOIA, mit CleverShuttle, mit SSB Flex bei uns in Stuttgart oder sonst was. Wenige wissen aber, dass sie es in diesem Moment mit dem Personenbeförderungsgesetz zu tun haben, quasi dem Grundgesetz – der Minister hat mich zitiert – des öffentlichen Verkehrs.

Deshalb, glaube ich, ist klar: Ein solches Gesetz kann man nur im Konsens und mit breiter Mehrheit angehen. Deshalb auch von meiner Seite erst mal einen Dank an Sie, Herr Minister, dass Sie die überparteiliche Findungskommission einberufen haben, einen Dank aber auch an alle Mitglieder der Findungskommission, einen Dank an die Berichterstatterinnen und Berichterstatter der Koalitionsfraktionen, der anderen Fraktionen. Gestatten Sie mir einen besonderen Dank an die grüne Seite, an Minister Winfried Hermann aus Baden-Württemberg, an Minister Tarek Al-Wazir aus Hessen, an unseren Berichterstatter Stefan Gelbhaar. Sie alle haben in den letzten Wochen maßgeblich dazu beigetragen, dass das Gesetz, das wir heute verabschieden, im Gegensatz zu dem ersten Entwurf – darauf lege ich sehr viel Wert – die Eckpunkte der Findungskommission aufgenommen hat und deutlich besser geworden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb auch einen Dank – so viel Fairness muss sein – an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, der Fraktionen und der Länder, die hierzu maßgeblich beigetragen haben. Jetzt überrasche ich Sie: Ich will auch ausdrücklich meiner stellvertretenden Ausschussvorsitzenden, Daniela Kluckert von der FDP, danken, die auch in der Findungskommission war, auch wenn die FDP das Ergebnis jetzt nicht mitträgt. Böse Stimmen könnten geneigt sein, zu sagen: Das zeigt, dass wir einen guten Kompromiss gefunden haben.

Liebe Kollegen von der Linken, ich möchte hinzufügen: Ich habe mit dem Bundesverband Taxi und Mietwagen telefoniert, und er hat sich bei uns bedankt. Ich weiß nicht, wen Sie bei den Taxiverbänden meinen; aber die, die in Taxiverbänden organisiert sind, danken uns für das, was wir erreicht haben.

Also: Uns Grünen geht es um mehr Mobilität, weniger Verkehr. Verkehrswende bedeutet: umweltfreundliche Alternativen stark machen. Dazu gehören die Pooling-Dienste, die wir jetzt freigeben. Sie haben das Potenzial, dafür zu sorgen, dass ein Auto, das im Schnitt drei oder manchmal mehr Plätze spazieren fährt, dank Apps, die mit Algorithmen arbeiten, künftig viel effizienter genutzt werden kann. Wir schaffen auch Regeln für Fahrdienste wie Uber: Dank unseres Drucks gibt es jetzt eine mehrfache Sicherung, die Escape-Klausel, die den Kommunen die Möglichkeit gibt, Dumping und Marktverdrängung zu beenden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Lieber Kollege Özdemir, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Lutze?

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wenn es die Zeit hergibt, gerne.

Thomas Lutze (DIE LINKE):

Lieber Cem Özdemir, wir haben sicherlich mit denselben Taxiverbänden gesprochen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle klipp und klar: Logischerweise sind sie dankbar. Wenn aus einer Gesetzesinitiative, die völlig unterirdisch war, eine Gesetzesinitiative wird, die nicht mehr ganz so unterirdisch ist, dann sind die Betroffenen erst mal dankbar, weil das Schlimmste abgewendet werden konnte. Deswegen ist das aber noch lange kein gutes Gesetz; es ist ein fauler Kompromiss, um den es hier heute geht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Unser Kollege Stefan Gelbhaar hat ja schon deutlich gemacht: Das ist nicht unser Gesetzentwurf; der Gesetzentwurf kommt aus dem Bundesverkehrsministerium. Wir stellen den Minister bekanntermaßen nicht; ich hoffe, das ändert sich eines Tages.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben dieses Gesetz gründlich umgeschrieben.

(Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Wir!)

Dass das gut gelungen ist, wird uns nun von unterschiedlichsten Seiten öffentlich bestätigt. Der Dank gebührt ja nicht nur uns – das will ich ausdrücklich sagen –, auch die Sozialdemokraten, die Länder haben daran ganz stark mitgewirkt. Ich finde, wir haben alles in allem einen sehr guten Kompromiss hingekriegt. Lassen Sie uns doch einfach mal schauen, wie es angenommen wird, wie es wirkt, ob die Kommunen das umgesetzt bekommen.

Ich finde, wir haben mit der doppelten Absicherung Sozialstandards geschaffen. Das gilt für Kommunen mit bis zu 100 000 Einwohnern; darunter ist doch das Modell Uber gar nicht wirtschaftlich. Wirtschaftlich ist es erst ab einem Marktanteil von 25 Prozent; Sie wissen, in Berlin liegen sie deutlich über 25 Prozent. Das heißt, wir haben, finde ich, mehr herausgeholt, als uns jeder zugetraut hat. Ich finde, in diesem Fall kann auch die Opposition, die sonst meistens alles schlecht findet, ruhig mal zugeben: Das habt ihr gut gemacht.

Jetzt überprüfen wir die Wirkung, und wenn sich Lücken ergeben, werden wir gemeinsam dafür sorgen, dass diese Lücken geschlossen werden. Das ist doch ein vernünftiges Arbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen, meine Herren, ich komme zum Schluss. Ich will schon darauf hinweisen: Was hätte man in der Verkehrspolitik noch alles erreichen können, wenn wir in diesem Haus auch bei anderen Gesetzesvorhaben in der Verkehrspolitik so gearbeitet hätten? – Ich glaube, die Verkehrswende schaffen wir nicht mit 51 Prozent gegen 49 Prozent. Dabei geht es um die Unternehmen, um die Belegschaften, um Planungssicherheit, um Investitionssicherheit, vor allem aber geht es um Klimaschutz. Darum meine Bitte, meine Einladung: Hören Sie nicht auf die! Verkehrswende ist kein Kulturkampf. Verkehrswende ist Modernisierung, und die Jahrhundertaufgabe heißt Klimaschutz. Lassen Sie uns da künftig bitte stärker zusammenarbeiten.

Danke sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Wir erinnern daran! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Bei Bedarf erinnern wir daran!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Cem Özdemir. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Michael Donth.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Detlef Müller [Chemnitz] [SPD])