Rede von Corinna Rüffer Petitionen

Foto von Corinna Rüffer MdB
27.09.2023

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich danke für das Wort. – Sehr geehrte Menschenfreundinnen und -freunde, Demokraten und Demokratinnen! Ich bin froh, lieber Patrick Schnieder, dass Sie vor mir geredet haben, weil wir jetzt ein bisschen über die Sache diskutieren können.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, jetzt geht’s rund!)

Ich habe gerade von unserer verehrten Vorsitzenden gehört – ich habe noch mal nachgefragt –, dass die SPD damals eigentlich gegen diesen Vorschlag, bei Petitionen mit 100 000 Unterzeichnern hier ins Plenum des Deutschen Bundestages zu gehen, nichts gehabt hat, sondern sich vielleicht ein bisschen in Geiselhaft der Großen Koalition befunden hat

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Man lese die Debatte nach! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und sie jetzt ihre Freiheit wiedergewonnen hat in dieser Konstellation mit FDP und Grünen, die sich an dieser Stelle wirklich mal richtig einig sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir diskutieren ja so selten über das Petitionswesen. Es ist auch schön, dass mal andere Leute zu Wort kommen in dieser Debatte,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Als wer?)

als wir es üblicherweise gewohnt sind.

(Beatrix von Storch [AfD]: Gern geschehen!)

Ich glaube, wir sollten jetzt doch mal grundsätzlich werden. Ich habe heute Morgen die Post durchgesehen bei mir im Büro und habe einen Brief geöffnet, der einen interessanten Inhalt hatte. Ich zitiere mal: Ergänzend zu meinen Worten unter deinem Posting möchte ich dir über diesen Kanal noch gerne schreiben, dass ich mich gerne an meinen Einblick in die Arbeit des Petitionsausschusses während meiner Hospitation bei dir erinnere. Ich war damals nicht nur beeindruckt, sondern auch etwas peinlich berührt, dass ich zuvor so wenig Ahnung von diesem Gremium und seinem Wirken hatte.

Ich glaube, da spricht der Autor wirklich ein Grundproblem an: dass die Arbeit dieses Ausschusses nicht genügend gewürdigt wird, dass wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch nicht in die Welt treten und sagen: Liebe Bürgerinnen und Bürger, ihr ärgert euch zu Recht über vieles, aber ihr habt die Möglichkeit, direkten Zugang zu diesem Parlament zu finden.

Ich vermute, dass der Autor dieser wirklich freundlichen Zeilen sich in dem Zusammenhang nicht nur an die großen Petitionen erinnert hat, an die 100 000er-Petitionen, an die, die häufig in Netzwerken entstanden sind, sondern auch an all die Auseinandersetzungen der Mitglieder des Petitionsausschusses – und damit meine ich alle Beteiligten aus dem Ausschuss, alle Beteiligten aus allen demokratischen Fraktionen – und daran, wie sehr hier an Einzelfällen gearbeitet wird und worauf die Aufmerksamkeit gerichtet wird.

Aufmerksamkeit wird gerichtet zum Beispiel auf den Industriearbeiter, der sich, ehrlich gesagt, kaputtgeschafft hat und nun im Kampf mit diversen Kostenträgern steckt und sich oft behandelt fühlt – ich glaube, auch so behandelt wird – wie der letzte Depp. Das ist so ein klassisches Beispiel, das bei uns immer wieder auftaucht.

Auseinandergesetzt wird sich mit dem Fall einer jungen Frau, klug ohne Zweifel, die aufgrund einer psychischen Erkrankung aus der Bahn geworfen wurde und nun mit der Rentenversicherung kämpft, ob sie den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt schaffen kann, und um eine Umschulung streitet.

Auseinandergesetzt wird sich mit dem Fall eines Familienvaters, der seit Jahren darauf wartet, dass seine Frau und Kinder endlich zu ihm nach Deutschland kommen können, der keine Nacht mehr schlafen kann, weil Frau und Kinder in irgendeinem Lager irgendwo auf der Welt Gefahren ausgesetzt sind, die aber, obwohl er alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, damit dieser Familiennachzug stattfinden kann, einfach kein Visum bekommen. Das ist auch so ein klassischer Fall.

An der Stelle möchte ich sagen: Sabine Weiss aus der Union – sie ist momentan krank; ich wünsche ihr das Allerbeste – ist das beste Beispiel dafür, dass wir an diesen Stellen, wo klar erkennbar ist, dass wir Menschen in konkreter Not helfen müssen, alle Register ziehen. Das tun wir mit Berichterstattergesprächen. Wir legen uns an mit der Regierung. Wir sind an dieser Stelle wirklich mal ein selbstbewusstes Parlament. Da ist es auch egal, zu welcher Fraktion man gehört. Das ist die Aufgabe dieses Petitionsausschusses. Darauf können wir, glaube ich, alle miteinander stolz sein, und darüber sollten wir auch hin und wieder mal ein bisschen intensiver in der Öffentlichkeit reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Ina Latendorf [DIE LINKE])

Ich neige nicht dazu, die Dinge schönzureden. Wir können und wir müssen besser werden. Wir wissen das als Ampelkoalition. Wir haben vor 20 Jahren, also vor der Zeit der meisten hier im Raum, die letzte Reform erlebt. Damals sind die öffentlichen Petitionen auf den Weg gebracht worden. Sie sind ein Erfolgsmodell. Aber jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, wo wir das Ganze noch mal nach vorn entwickeln müssen, gerade angesichts der angespannten Lage, in der wir uns als Demokratie insgesamt befinden, aufgrund der durchaus nachvollziehbaren Kritik an vielen Stellen, die wir hier hereinlassen müssen. Wir brauchen frischen demokratischen Wind in diesem Hause. Dabei lassen wir uns gerne unterstützen von den Menschen in diesem Land. Wir haben ganz sicher keine Angst vor den Menschen in diesem Land, sondern wir lieben die Menschen in diesem Land. Deswegen arbeiten wir in diesem Petitionsausschuss.

Wir, die Ampelfraktionen im Petitionsausschuss, haben in den letzten Monaten – an anderen Stellen hat es ja manchmal Knatsch gegeben; bei uns nicht – geräuschlos gearbeitet. Wir haben in guter Atmosphäre zusammengearbeitet und uns überlegt, was wir tun wollen. Natürlich wollen wir für Petitionen, die besonders stark unterstützt werden – wir haben die 100 000er-Marke benannt; Manfred Todtenhausen wird gleich etwas dazu sagen, die FDP hat das seit 2011 gefordert; seitdem ich im Deutschen Bundestag bin, die Grünenfraktion auch; wir müssen uns überhaupt nicht darum streiten, wer die Ersten waren –, das Quorum absenken. Wir wollen die Mitzeichnungsfrist verlängern. Wir wollen das Petitionswesen insgesamt inklusiver aufstellen, damit jeder Bürger, damit alle Menschen in diesem Land Zugang haben und sich bestmöglich gehört fühlen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme jetzt auch zum Ende.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Bernhard Loos [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ina Latendorf hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)