Rede von Karl Bär Pflanzenschutzmittel

Karl Bär MdB
30.03.2023

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen aus den demokratischen Fraktionen! Die Europäische Kommission will den Einsatz von Pestiziden und das Risiko, das davon ausgeht, halbieren. Dafür hat sie im Juni letzten Jahres einen konkreten Vorschlag gemacht. Die Anträge geben uns hier die Möglichkeit, darüber noch einmal zu reden.

Der Vorschlag der Kommission hat in den letzten neun Monaten sehr viel Kritik einstecken müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)

Die Kritik kommt hauptsächlich von Leuten, die nicht wollen, dass sich überhaupt etwas ändert, entweder weil sie von der Ackerchemie profitieren oder weil sie denken, dass sie davon profitieren, oder weil sie sowieso gegen Veränderungen sind. Ich muss leider sagen: Diese Kräfte sind sehr stark. Wer weniger Gift

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Pflanzenschutzmittel!)

auf den Äckern haben will, der muss darum kämpfen.

Ich will darum kämpfen. Deswegen muss ich auch sagen, dass ein Teil der Kritik an dem Vorschlag der Kommission völlig berechtigt ist. Er enthält zum Beispiel kein sinnvolles System für die Messung des Risikos von Pestiziden.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Pflanzenschutzmittel!)

Das hätte dazu geführt, dass alle Mitgliedstaaten das Ziel der Halbierung des Risikos ganz automatisch erreichen, bloß aufgrund von Stoffverboten. Es finden sich im Entwurf auch keine konkreten Methoden, wie die Landwirtinnen und Landwirte das Ziel der Mengenreduktion erreichen können, außer über ein pauschales Verbot in sensiblen Gebieten. Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass in Trinkwasserschutzgebieten nicht gespritzt wird; es macht auch ökologisch Sinn, dass es Orte gibt, die frei von Gift sind. Aber wenn man den Kommissionsvorschlag eins zu eins umsetzt, führt das dazu, dass auch ein Biowinzer im Landschaftsschutzgebiet kein Backpulver mehr ausbringen kann, während in weiten Teilen vom Rest der Union weitergespritzt wird wie bisher. Das ist einfach nicht Sinn der Sache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sarah Wiener, die Berichterstatterin im Europäischen Parlament, hat vor vier Wochen einen Entwurf für die Parlamentsposition vorgelegt. Das ist, wie ich finde, ein sehr intelligenter Vorschlag. Die sensiblen Gebiete werden darin deutlich reduziert.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da sind dann nur noch Gebiete drin, die tatsächlich dem Schutz der Artenvielfalt und des Grundwassers dienen. Und dort sollen auch Mittel eingesetzt werden dürfen, die im ökologischen Landbau zugelassen sind. Die Messung des Risikos wird besser geregelt. Und wir dürfen nicht pauschal alles reduzieren, sondern müssen schauen, dass bei den Mitteln, die giftiger sind, stärker reduziert wird als bei denen, die weniger giftig sind.

Der Entwurf zeigt auch Methoden auf, wie mit weniger Pestiziden gearbeitet werden kann. Wir haben nämlich seit 2014 in ganz Europa die Pflicht, integrierte Schädlingsbekämpfung zu betreiben. Da geht es darum, dass, bevor Chemie gespritzt wird, alle anderen Methoden ausgeschöpft werden müssen. Das Konzept ist gescheitert – das hat auch die EU-Kommission eingesehen –, weil es viel zu unverbindlich und unkonkret war. Mit dem Parlamentsentwurf würde das viel besser werden. Allein mit Fruchtfolgen und Sortenwahl ließe sich viel Gift einsparen. Das sind Vorschläge, über die wir weiter diskutieren sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Eben waren es noch Pestizide, jetzt ist es schon Gift! Pflanzenschutzmittel ist das!)

Wir müssen etwas tun gegen die Pestizide.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Pflanzenschutzmittel!)

Wir machen das nicht zum Spaß, auch nicht, weil wir Bienen so süß finden, sondern weil unser Überleben an funktionierenden Ökosystemen hängt. Ohne die Natur gibt es keine Landwirtschaft. Ohne Landwirte gibt es keine Zivilisation. Deswegen steht im Vertrag von Montreal, dass wir weg müssen von den Pestiziden.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Pflanzenschutzmittel!)

Es steht im Koalitionsvertrag, und auch die EU geht in diese Richtung. Wir müssen da was tun, und das Gute ist: Es geht. Dänemark hat es vorgemacht. Da ist ohne großen Ertragsrückgang der Pestizideinsatz deutlich zurückgegangen in den letzten Jahren,

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Pflanzenschutzmittel!)

weil mit dem rein marktwirtschaftlichen System die Preise für die Mittel durch eine Abgabe erhöht wurden.

(Bernd Schattner [AfD]: Landwirtschaft und Grüne passen nicht!)

– Doch, in dem Fall passt das super; wir führen eine Pestizidabgabe ein. – Im Entwurf für die Parlamentsposition steht, dass alle Mitgliedstaaten eine solche Abgabe prüfen sollen. Das ist eine Debatte hier im Hause, auf die ich mich schon freue. Wir müssen nämlich etwas tun. Nur zu sagen, was nicht geht, reicht nicht. Deswegen lehnen wir die Anträge der Opposition hier auch ab.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)