Planungs- und Genehmigungsverfahren

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

31.01.2020

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz ist neuer Wein in alten Schläuchen und wird Vorhaben nicht beschleunigen. Um Projekte schneller baureif zu bekommen, soll Baurecht wie einst bei den schon genannten Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ per Gesetz erwirkt werden; statt einem Verwaltungsakt soll also der Deutsche Bundestag entscheiden. Was vernünftig klingt – mehr Verantwortung für das Parlament –, ist bei genauerer Betrachtung lediglich ein Instrument, um den Rechtsschutz von Bürgerinnen und Bürgern und von Umweltverbänden einzuschränken; denn gegen ein per Gesetz genehmigtes Verkehrsprojekt kann nur eine Verfassungsbeschwerde eingelegt werden. Doch das ist ein eklatanter Verstoß gegen europäisches Recht und gegen die Århus-Konvention, eine völkerrechtliche Vereinbarung, die den Zugang zu Gerichten bei Umweltangelegenheiten sicherstellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offenbar will der Minister ein zweites Mal vor dem EuGH scheitern.

Bei den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ hat dieses Verfahren – das ist schon gesagt worden – übrigens zu keinerlei Beschleunigung geführt. Deshalb ist man davon wieder abgerückt. Welchen Beitrag eine stärkere Parlamentsbefassung zur Beschleunigung leistet, sehen wir aktuell: Bei Schienenprojekten ist der Bundestag bereits jetzt stärker einbezogen. Die Vorplanung für die Ausbaustrecke Hanau–Gelnhausen liegt seit Juni 2019 vor, die der Strecke Hamburg–Lübeck–Puttgarden seit Oktober. Bis heute fand keine Beratung im zuständigen Ausschuss statt. Meine Damen und Herren, das ist keine Be-, sondern das ist eine Entschleunigung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Cezanne [DIE LINKE])

Ich bin überzeugt: Wir schaffen keine Akzeptanz für Infrastrukturprojekte, wenn wir die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern und Verbänden beschneiden. Wir brauchen mehr Kooperation statt Konfrontation in der Zusammenarbeit zwischen Behörden und Umweltverbänden. Man sieht sie oft als Gegner und nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe. Wenn die Belange des Naturschutzes von Anfang an berücksichtigt werden, kommt man zu besseren und damit auch zu schnelleren Planungen; davon bin ich überzeugt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Bürgerinnen und Bürger werden nicht oder oft zu spät an Verfahren beteiligt, oft erst dann, wenn die Grundsatzentscheidung längst gefallen ist und es nur noch um Details geht, wie beispielsweise die Höhe einer Lärmschutzwand. Dadurch wird die Akzeptanz von Planung aber systematisch geschwächt, organisieren sich Widerstände und werden Klagen gegen Projekte geradezu provoziert. Notwendig ist eine verbindliche, umfassende und frühzeitige Bürgerbeteiligung – auch das ist schon gesagt worden –, bei der auch Alternativen zur Sprache kommen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beim Bundesverkehrswegeplan durften die Bürgerinnen und Bürger Alternativen zu Projekten vorschlagen. Aber bei weit über 1 000 Straßenprojekten ist keine einzige dieser Alternativen wirklich berücksichtigt worden. Meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als Pseudobeteiligung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es fehlt an Standards, was echte, transparente Bürgerbeteiligung bedeutet. Im Gesetz findet man dazu leider gar nichts. Es gibt vom Bundesverkehrsministerium ein Handbuch zur Bürgerbeteiligung bei Großprojekten – eine sehr gute Sache –; es ist nur nie verbindlich zum Standard gemacht worden – das ist das Problem –, und es wird auch heute nicht dazu gemacht. Es verstaubt also weiter in der Vitrine und kommt nicht zur Anwendung.

Das Verkehrsministerium trägt auch selber die Verantwortung für erhebliche Planungsverzögerungen. Die Datengrundlagen für die Ermittlung der Kosten von Verkehrsprojekten und die dazugehörige Nutzen-Kosten-Untersuchung sind oftmals nicht belastbar und nicht transparent. Das kritisiert der Bundesrechnungshof bei der Bundesverkehrswegeplanung seit Jahren. Deshalb gab es immer wieder erfolgreiche Klagen gegen diese Datengrundlage. Das kann man besser machen. Dafür ist das Verkehrsministerium verantwortlich.

Hauptgrund für Verzögerungen ist – auch das ist schon genannt worden; man muss es aber betonen – fehlendes Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden, die unter dem Credo eines schlanken Staates in den vergangenen Jahren kaputtgespart wurden. Was wir brauchen, ist eine Einstellungsoffensive. Wir müssen mehr in Ausbildung und Qualifizierung investieren. Nur dann kommen wir schneller voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es ist vollkommen richtig, dass viele Verfahren schlanker werden können und müssen. Bei Neubauvorhaben werden zahlreiche im üblichen vorgeschalteten Raumordnungsverfahren geprüfte Aspekte im sich anschließenden Planfeststellungsverfahren erneut geprüft, was Zeit kostet. Hier könnten Doppelprüfungen vermieden werden.

Es fehlt eine bundesweite Standardisierung von Umweltuntersuchungen. Die Bewertung von Natur- und Umweltschutzbelangen könnte durch Leitfäden deutlich einfacher und auch gerichtsfester und damit zuverlässiger gemacht werden.

Im zweiten Gesetz, über das wir heute abstimmen, wird geregelt, dass für Ersatzneubauten wie Brücken keine umfangreichen Planfeststellungsverfahren mehr nötig sind. Gleiches sollte gelten, wenn Bahnstrecken elektrifiziert, mit digitaler Technik oder mit Lärmschutzwänden ausgestattet werden. Mir ist durchaus bewusst, dass das kein einfaches Unterfangen ist. Aber wir sollten diesen Weg zumindest genauer prüfen.

Das zweite Gesetz, das wir heute verabschieden, ist das Gesetz zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dem stimmen wir zu – das hat sich ja schon beim Verkehrsminister herumgesprochen –,

(Beifall des Abg. Mathias Stein [SPD])

weil richtigerweise die Kommunen von der Mitfinanzierung bei Schieneninvestitionen befreit werden und auch weil – das ist ein wesentlicher Grund für die Zustimmung – dieses Gesetz durch Änderungen der Koalitionsfraktionen auf die ÖPNV-Infrastruktur ausgeweitet wurde, damit es dort zu zügigeren Planungen kommt. Wir freuen uns, dass Sie da unsere alten Vorschläge aufgegriffen haben. Wir haben vor einem Jahr beim ersten Entwurf eines Planungsbeschleunigungsgesetzes kritisiert, dass Sie den Nahverkehr, den Problemlöser für den Klimaschutz, bei der Planungsbeschleunigung vergessen haben. Ihre Einsicht würdigen wir heute mit einer Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Der Kollege Reinhold Sendker hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)