Rede von Susanne Menge Planungs- und Genehmigungsverfahren
Susanne Menge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin vor zwei Wochen im Ahrtal gewesen. Herr Müller, die Dramatik der Situation, über die Sie gerade berichtet haben, möchte ich aufgreifen, um kurz auf die arg gebeutelte Region Ahrweiler und den wirklich dramatischen Zustand vor Ort einzugehen, zum Beispiel auf den dortigen Abschnitt der B 266, vierspurig, weggerissen von der Ahr nach einem katastrophalen Umweltereignis. Wir mussten feststellen, dass es Menschen, die seit Jahren Geld in ihre Häuser investiert haben, um dort weiterhin wohnen zu können, nun nicht mehr möglich ist, weil zum Beispiel Erdöltanks in den Häusern umgekippt sind und das ausgelaufene Öl die Wände verseucht hat. Das sind Katastrophen, die auch damit zusammenhängen, dass die Infrastrukturplanung mit dem Natur- und Umweltschutz überhaupt nicht kompatibel gemacht worden ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Trotz dieser Erfahrungen im Ahrtal wird aufgrund des herkömmlichen Planungsrechts und der damit verbundenen UVP, die auch von Ihnen immer als Störfaktor betrachtet wird, gesagt: Wir müssen alles genau so wieder aufbauen. – Dabei machen die Menschen, die in der Fluthilfe engagiert sind und die Arbeitsgruppen gebildet haben, uns politischen Akteurinnen und Akteuren deutlich, dass das nach dieser Flutkatastrophe keine kluge Antwort sein kann. Da wir wissen, dass wieder Starkregenereignisse folgen werden, können wir doch nicht dort, wo jetzt ein ganz harmloser Fluss seine Kurven zieht, sagen: Wir müssen es genauso wieder herrichten. – Denn sonst stehen wir, weil die Situation nicht beherrschbar ist, bei der nächsten Flutkatastrophe vor der gleichen Herausforderung. Dann müssten wir wieder etliche Milliarden und Millionen investieren, um in der Region Leben zu ermöglichen. Es geht vielmehr um andere Faktoren. Es geht darum, dem Umwelt- und Naturschutz endlich den Stellenwert einzuräumen, den er verdient.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte ein zweites Beispiel nennen, den Lückenschluss der A 1 in der Region Adenau. Die Planfeststellung musste erneuert werden, weil wiederum Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft deutlich gemacht haben, dass Planungsrechte, die das Umweltrecht tangieren, genutzt werden müssen, um zum Beispiel wasserrechtliche Voraussetzungen zu berücksichtigen. Schon bei der Planung muss daran gedacht werden, dass Katastrophen zu verhindern sind. Das ist hier überhaupt nicht eingeplant gewesen. Insofern ist festzustellen: Klimaschutz, Umweltschutz und Flächenschutz sind unbedingt notwendig. Die zivilgesellschaftliche Expertise ist unbedingt notwendig, um Planungsfehler zu verhindern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte auf das Beispiel von Herrn Spaniel eingehen, der gesagt hat, eine Verkürzung der Verfahren hätte bei den LNG-Terminals doch auch funktioniert. Ich weise darauf hin, dass die Verfahrensanforderungen die LNG-Terminals betreffend einen klar definierten Ausnahmefall darstellen.
(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Ah!)
Das ist auf den Straßen- und Brückenbau nicht übertragbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich werde jetzt nicht näher auf die verfehlte Infrastrukturpolitik eingehen. Ich zitiere Herrn Groschek aus dem Jahr 2012, der über den Zustand der Rheinbrücke in Leverkusen sagte, das sei ein Mahnmal für den katastrophalen Zustand der deutschen Infrastruktur. Der Mann hat schmerzlich erfahren müssen, was Fehlplanungen bedeuten und was passiert, wenn nicht investiert wird, um marode Infrastruktur zu sanieren.
(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Wer hat denn die ganze Zeit regiert? Da hat doch die SPD die ganze Zeit regiert!)
Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2015 und der Expertenkommission von 2016, eingesetzt vom damaligen Wirtschaftsminister Gabriel, zeigen: Die ganzen Jahrzehnte ist auf Verschleiß gefahren worden.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Rot-grüne Politik!)
Das ist das, was wir jetzt zu bearbeiten haben,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
was wir mit aller Kraft und mit allem Engagement versuchen müssen auf Spur zu bringen. Das heißt, wir bekämpfen an dieser Stelle die Symptome. Das ist notwendig, um die Infrastruktur sicher und befahrbar zu machen. Darum geht es.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Sie haben doch die Investitionen bekämpft in Nordrhein-Westfalen! Ständig!)
Ihr Gesetzentwurf wird dem selbst formulierten Anspruch überhaupt nicht gerecht. Sie fokussieren sich wieder nur auf zwei Sachen – ich habe das eingangs erklärt –: Umweltrecht und Planungsformalitäten. Es gibt kluge, wichtige Vorschläge, die in ihre Problemanalyse gehört hätten; die tauchen da aber leider nicht auf. Wir versuchen nun, das umzusetzen. Deshalb muss es an dieser Stelle dabei bleiben: Klima- und Umweltschutz sind ein hohes Gut in dieser Republik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der AfD: Oh!)
Präsidentin Bärbel Bas:
Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Thomas Lutze.
(Beifall bei der LINKEN)