Planungs-und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich

08.11.2018

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Marode Brücken, Engpässe im Schienennetz, überlastete Nahverkehrsstrecken, fehlender Lärmschutz – wer den Verkehrskollaps vermeiden und die Verkehrswende vorantreiben will, der muss Planungen von Infrastrukturprojekten beschleunigen.

Im Ziel sind wir uns also einig. Wir müssen aber bei der Frage nach den richtigen Maßnahmen auf die tatsächlichen Gründe schauen, die für zähe Planungsprozesse und jahrelange Verzögerungen verantwortlich sind. So werden Bürger nicht oder erst sehr spät in den Verfahren beteiligt und oft erst, wenn die Grundsatzentscheidungen längst gefallen sind und nur noch Details beeinflusst werden können.

(Gustav Herzog [SPD]: Es gibt aber auch Partikularinteressen!)

Für eine frühzeitige Bürgerbeteiligung über das gesetzliche Mindestmaß hinaus fehlt den Behörden Geld und Personal, ja manchmal auch der Wille. Die Bürger werden erst bei der Frage des Wie und nicht schon bei der Frage des Ob beteiligt. Dadurch wird die Akzeptanz für Infrastrukturprojekte gesenkt und das Risiko von Widerständen gegen solche Projekte erhöht.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine chinesischen Verhältnisse. Wir brauchen eine neue Planungskultur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Notwendig ist dafür eine verbindliche, umfassende und frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, bei der auch Alternativen zu Projekten zur Sprache kommen müssen. Neue Planungskultur heißt auch Kooperation statt Konfrontation in der Zusammenarbeit der Behörden mit den Umweltschutzverbänden. Deren Expertise wird, wenn überhaupt, nur am Rande in die Planungen einbezogen. Man sieht sie eher als Gegner, aber nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe. Wenn die Belange des Natur- und Umweltschutzes von Anfang an berücksichtigt werden, kommt man auch mit Planungen schneller zum Ziel. Davon sind wir überzeugt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ebenso gilt: Wer Bürgerinnen und Bürger frühzeitiger und umfassender beteiligt, der verbessert die Planungen, der erhöht die Planungsqualität. Ein Argument, das in der Debatte viel zu selten genannt wird.

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, bei Verkehrsprojekten, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, künftig auf eine Erörterung zu verzichten. Der Verzicht auf Erörterungen spart aber keine Zeit, er wird die Planung nicht beschleunigen. Aber er ist ein wichtiger Baustein in der Öffentlichkeitsbeteiligung, der jetzt wegfällt. Vorschläge zu frühzeitiger Bürgerbeteiligung stehen nicht im Gesetzentwurf, sondern nur im Entschließungsantrag der Regierungskoalition. Da muss ich Ihnen sagen: Absichtserklärungen an dieser Stelle reichen nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Gleiches gilt auch für den Nahverkehr. Die Planung und Genehmigung von städtischer Nahverkehrsinfrastruktur tauchen im Planungsbeschleunigungsgesetz ebenfalls nicht auf. Dabei wollen Städte und Kommunen zahlreiche Infrastrukturprojekte vorantreiben, insbesondere im Interesse der Verkehrswende. Deshalb müsste das jetzt schon im Gesetzentwurf stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere daran: Heute hat wieder ein Gericht Fahrverbote in Städten erlassen, diesmal für Köln und Bonn. Das heißt, die Kommunen können nicht länger auf Ankündigungen warten, sie brauchen endlich substanzielle Unterstützung vom Bund, die Sie mit diesem Gesetz leider versagen.

(Zuruf von der FDP: Macht ihr doch vor Ort!)

Beschleunigte Planungs- und Genehmigungsprozesse für neue Straßenbahnen und S-Bahn- und U-Bahn-Linien wären ein wesentlicher Baustein, der leider in diesem Gesetzentwurf fehlt.

Meine Damen und Herren, jahrelang wurde Personal abgebaut. Die Planungs- und Genehmigungsbehörden sind personell nicht ausreichend ausgestattet, um komplexe Projekte zügig abzuarbeiten. Planer werden händeringend gesucht. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Projekte bleiben liegen, weil die Fachleute fehlen. Gleiches gilt – das ist schon angesprochen worden – für die Gerichte. Klagen gegen Vorhaben aus dem Bundesverkehrswegeplan sollen künftig einzig beim Bundesverwaltungsgericht möglich sein. Doch ohne zusätzliches Personal für das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird sich die Verfahrensdauer nicht verkürzen, sondern sie wird sich eher verlängern.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Die Einführung verbindlicher Fristen bis zur Eröffnung von Verfahren ist richtig. Aber die personelle Stärkung der Gerichte, wie im Entschließungsantrag vorgeschlagen, nur zu prüfen, liebe Freundinnen und Freunde von der Koalition, ist deutlich zu wenig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. Die Zustimmung zum Entschließungsantrag der Koalition verbinden wir mit der Hoffnung, dass die Umsetzung der geforderten Maßnahmen beschleunigt wird.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)