Rede von Tabea Rößner Produktsicherheit

20.05.2021

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das deutsche Produktsicherheitsgesetz an die ab Juni geltende europäische Marktüberwachungsverordnung angepasst. Das ist richtig und sinnvoll.

Vor allem wird Klarheit geschaffen, indem Regelungen aus dem bisherigen Produktsicherheitsgesetz in andere Gesetze überführt werden wie ins Marktüberwachungsgesetz und in ein neues Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen.

Diese neu geschaffene Struktur begrüßen wir. Aber klar ist auch: Beim Thema Produktsicherheit hinken wir dem Verbraucheralltag, der Produktwelt und den Marktstrukturen hinterher.

Das Produktsicherheitsgesetz basiert auf der europäischen Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie von 2001. Seitdem hat sich aber viel geändert.

Immer mehr wird online gekauft – nicht erst in Zeiten der Pandemie. Und am stärksten wachsen Onlinemarktplätze, auf denen Verbraucher/-innen direkt bei Anbietern aus der ganzen Welt einkaufen.

Der Nachteil: Über Onlinemarktplätze wie Amazon, Ebay, AliExpress oder Wish kommen viele Produkte auf den europäischen Markt, die EU-Sicherheitsstandards nicht erfüllen. Bei Testkäufen von europäischen Verbraucherorganisationen fielen zwei Drittel durch. Rauchmelder reagierten nicht auf Rauch, die Powerbank schmorte durch, auf Kosmetikprodukten fehlten die Informationen über Inhaltsstoffe.

Zoll und Marktüberwachungsbehörden kommen mit Kontrollen nicht hinterher. Aber auch das Produktsicherheitsrecht ist für diese Herausforderungen des globalen Onlinehandels nicht gerüstet.

Plattformbetreiber für Onlinemarktplätze können sich auf ihre Vermittlerrolle zurückziehen und haften nur, wenn sie Kenntnis von illegalen oder unsicheren Produkten auf ihren Plattformen haben. Zum Schaden der Verbraucher/-innen; denn die sind oft aufgeschmissen, wenn sie ihre Rechte daher gegenüber den Herstellern oder Händlern in China oder einem anderen Drittland durchsetzen müssen.

Die freiwillige „Product Safety Pledge“ von Marktplatzanbietern wie Amazon, Ebay, AliExpress oder Wish greift laut Verbraucherverbänden nicht. Selbst Produkte, die im europäischen Schnellwarnsystem RAPEX als gefährlich gemeldet wurden, wurden auch weiterhin auf den Plattformen gefunden.

Wir brauchen dringend die von der EU-Kommission angekündigte Reform des Produktsicherheitsrechts. Notwendig dabei ist:

Erstens. Einheitliche Regelungen für europäisch harmonisierte Produkte wie auch nichtharmonisierte Produkte.

Zweitens. Mehr Verantwortung für Plattformbetreiber, auch für reine Vermittlungsplattformen: Sie alle müssen Sorgfaltspflichten einhalten, beispielsweise die Identität der Hersteller bzw. Händler prüfen, die bei ihnen verkaufen.

Drittens. Sie müssen verpflichtet werden, gefährliche oder gefälschte Produkte binnen kurzer Zeit von ihren Plattformen zu nehmen, wenn diese im europäischen Schnellwarnsystem auftauchen oder ihnen gemeldet werden.

Viertens. Plattformen, die selbst als Anbieter auftreten, sollten noch stärker in die Pflicht und Haftung genommen werden.

Fünftens. Auch die Sicherheitsanforderungen an Produkte müssen angepasst werden. Zur Produktsicherheit gehört bei digitalen und vernetzten Produkten nicht nur gesundheitliche Sicherheit, sondern auch Sicherheit vor Schäden wie beispielsweise durch Hacking.

Produktsicherheit ist dringend notwendiger Verbraucherschutz. Sorgen Sie dafür – sowohl bei der Novellierung der europäischen Produktsicherheitsrichtlinie als auch bei der Plattformregulierung durch den Digital Services Act!