Karl Bär MdB
22.09.2023

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stehen Landtagswahlen an, und die Union beschert uns eine Debatte zum Wolf mit viel Emotion und einer einzigen Idee, was man tun könnte, nämlich schießen. Ach, wäre die Welt doch so einfach!

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Wir haben auch schon Anträge vorher gestellt!)

Ich selber komme aus einer Region, in der Beweidung großartige Kulturlandschaften und wertvolle Ökosysteme erschaffen hat. Die Almen wären keine Heimat für Schmetterlinge und Orchideen und wären nicht für Touristen attraktiv ohne die Rinder, die dort leben.

Wölfe, die Weidetiere reißen, sind ein Problem. Und wir müssen Lösungen für diesen Konflikt finden. Der Antrag der Union ist voller Vorschläge, die zwar alt sind, aber trotzdem nicht gescheit durchdacht. Die ewige Diskussion um das Jagdrecht und die ständigen Angriffe auf das Naturschutzrecht bringen uns echt nicht weiter. Weiter bringt uns die Arbeit von Umweltministerin Lemke, die mit den Betroffenen im Dialog ist,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das hilft, oder was?)

auch mit den Ländern, um Bürokratie abzubauen und praxisnah an Lösungen zu arbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Die Wölfe sind nicht beeindruckt von dem Dialog!)

– Ja, da wird gebrüllt, da wird gearbeitet. So.

Wie schlecht Ihr Antrag ist, merkt man auch daran, dass Sie unter Punkt 7 die Umstufung des Wolfs von Anhang IV nach Anhang V der FFH-Richtlinie fordern. Ich habe vor fünf Stunden das letzte Mal nachgeschaut: Der Wolf ist in beiden Anhängen. Das heißt übersetzt aus dem Verwaltungsdeutsch: Der Wolf steht unter strengem Schutz, aber wir können Probleme mit Wölfen notfalls auch mit Gewehren lösen.

Schießen allein bringt aber nichts. In Frankreich gibt es heute weniger Wölfe auf mehr Fläche als in Deutschland. Sie werden dort bejagt, und trotzdem gibt es mehr Risse von Weidetieren durch Wölfe. Am Herdenschutz führt kein Weg vorbei. Und wer das völlig ignoriert, so wie Sie in Ihrem Antrag, der ignoriert auch einen Teil der Realität der Weidehaltung.

(Beifall des Abg. Carsten Träger [SPD])

Und ja, ich kann riesige Almflächen im Gebirge mit brummendem Tourismus kaum wolfssicher einzäunen.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Genau!)

Aber auch dafür gibt es Lösungen im bestehenden Naturschutzrecht.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Welche?)

Die Behörden vor Ort können Abwägungen zwischen verschiedenen Schutzgütern und geschützten Arten treffen. Dann gehört dazu noch die Prüfung, ob denn wirklich keine Alternative, kein Herdenschutz möglich ist.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Wie lange will man noch prüfen? – Andreas Bleck [AfD]: 1,20 Meter hoher Zaun! Das ist ein Kaninchenzaun, kein Wolfszaun! Lächerlich!)

Und dann kann man notfalls die Wölfe, schon bevor Probleme auftreten, zum Abschuss freigeben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber wer diesen Weg geht, der muss zugeben, dass Herdenschutz in nahezu allen Regionen des Landes ein Teil der Lösung ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir kriegen keine Lösung hin, ohne Emotionen aus dieser Debatte herauszunehmen. Solange jede einzelne Wolfsichtung bei einigen sofort „Schießen, schießen, schießen!“ auslöst, kommen wir keinen Schritt weiter.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das hat keiner gefordert!)

Die Kehrseite der Medaille ist doch, dass jede Wolfsabschussgenehmigung Dutzende Male, teilweise 250-mal, beklagt wird. Wir müssen die Emotionen aus dieser Debatte herausnehmen.

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Fangen Sie mal an!)

Eine ernsthafte Suche nach Lösungen setzt voraus, dass wir sagen: Deutschland ist ein Wolfsland. Und in einem Wolfsland können Wölfe auch geschossen werden, um Weidetiere zu schützen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Die Bestände verdoppeln sich alle drei Jahre!)

Ich habe, ehrlich gesagt, das Gefühl, dass Sie gar nicht wollen, dass wir Emotionen aus der Debatte herausnehmen und inhaltlich weiterkommen. Ihnen ist es lieber, dass wir hier vor den Landtagswahlen noch ein bisschen was hochkochen lassen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wie ist denn die Antwort?)

– Sie haben auch keine Antwort. Sie haben gar keine Antwort. Sie schreien nur zum x-ten Mal.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ihnen ist es lieber, dass das nächste Mal Menschen gerissen werden, oder?)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Karl Bär (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie sind doch froh, dass es hier nur um Gebrüll geht und nicht um Lösungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Andreas Bleck [AfD]: Was für eine Strohmann-Argumentation! Das ist die grüne Großstadtschickeria!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Und für die Fraktion Die Linke hat das Wort Ina Latendorf.

(Beifall bei der LINKEN)