Foto von Steffi Lemke MdB
22.09.2023

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Man kann über den Schutz von Weidetierhaltung und den Schutz des Wolfes auf zweierlei Art diskutieren. Man kann es populistisch tun, man kann Anlehnung an Rechtsextremisten dabei nehmen,

(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Schwachsinn! – Beatrix von Storch [AfD]: Ja, genau, rechtsextremistische Wolfsbekämpfung!)

das Märchen von Rotkäppchen erzählen, und man kann dabei auch falsche Dinge erzählen. Man kann solche Bilder zeichnen wie Sie eben, Herr Otte; das steht Ihnen natürlich alles frei.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist die Realität, Frau Ministerin!)

Man kann behaupten, das Bundesumweltministerium würde die Daten nicht nach Brüssel melden – klar, wenn man in seiner eigenen Organisation noch mit berittenen Boten unterwegs ist. Ich kann Ihnen gerne mein iPad borgen, damit können Sie die Daten nachsehen. Die EU-Kommission greift auf diese Daten zurück; sie werden dort permanent aktualisiert.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Gestern habe ich dort nachgeschaut, da waren sie nicht aktualisiert!)

Von daher kann man unberechtigte Vorwürfe verbreiten, oder man kümmert sich um Lösungen. Und darüber möchte ich jetzt reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Da sind wir gespannt!)

Die Weidetierhalter haben in der Realität aufgrund der Zunahme der Wolfszahlen in den letzten Jahren ein Problem, das wir lösen müssen. Ich finde, das sollten wir im Bundestag auch gemeinsam feststellen können, um auf dieser Grundlage dann über die Lösungen zu diskutieren.

(Zurufe von der AfD)

Ich habe angekündigt, dass ich meine Vorschläge zeitnah vorlegen werde, das heißt: noch im September.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sie können doch in diesem Hohen Hause sagen, was Sie machen wollen! – Zuruf des Abg. Andreas Bleck [AfD])

Symbolpolitik produziert zwar Überschriften, wie sie von dieser Debatte möglicherweise auch für den Landtagswahlkampf in Bayern genutzt werden; aber ich werde Vorschläge machen, wie wir die real existierenden Probleme in den Griff kriegen werden. Diese Vorschläge können hinterher debattiert werden. Sie sollen debattiert werden, ergänzt werden, verbessert werden – all das ist dann möglich. Ich werde meine Vorschläge machen.

Um es noch hinzuzufügen: Ich lebe in einer ländlichen Region, in der der Wolf vorkommt und wo Spaziergänger sagen, dass sie ihn gesichtet haben. Ich bin im Sommer zu einem Schäfer hinausgefahren und habe handfest ausprobiert, wie sich die verschiedenen Zaunhöhen anfühlen, wenn man den Zaun dort tatsächlich setzt, weil ich verstehen will, was es bedeutet, wenn wir von wolfssicheren Zäunen reden.

(Andreas Bleck [AfD]: Das sind Kaninchenzäune! 1,20 hoch!)

Machen Sie das auch alles, vor allem die, die hier besonders laut schreien. Gehen Sie dorthin, und machen Sie solche Dinge. Machen Sie handfeste Arbeit, das ist gut für Sie!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

Die Lösungen, die wir brauchen, müssen vor allem praxistauglich sein.

(Lachen des Abg. Andreas Bleck [AfD])

Als ich das Amt übernommen habe, habe ich in der Tat etwas vorgefunden, was nicht praxistauglich ist. Das hatten alle 16 Bundesländer gemeinsam mit den Verbänden aus der Praxis erarbeitet und es dann hinterher „Praxisleitfaden“ genannt. Dann haben die Weidehierhalter in der Praxis feststellen müssen, dass es eben nicht praxistauglich ist. Deshalb werden wir unkomplizierte, praxisnahe und vor allem schnell wirkende Lösungen brauchen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ja, die Freigabe zum Abschuss!)

Diejenigen, die etwas vom Bundesnaturschutzgesetz und von Naturschutzregelungen verstehen, wissen, dass es sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird, wenn wir nach Brüssel gehen und dort auf Lösungen zu diesem Thema warten. Ich möchte, dass wir den Weidetierhaltern schneller helfen, als so lange auf Brüssel zu warten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Deswegen ist ein Handeln jetzt notwendig!)

Außerdem möchte ich, dass wir einheitliche Regelungen schaffen und den Wirrwarr zwischen den 16 Bundesländern aufheben, der da zum Teil existiert, den die Bundesländer aber nicht zu verschulden haben. Deshalb rede ich mit allen 16 Bundesländern über diese praxistauglichen Lösungen. Wir brauchen unkomplizierte Lösungen. Regionen großflächig einzuzäunen, um wolfsfreie Zonen zu schaffen, das halte ich für keine gute Lösung. Es wäre weder unkompliziert noch realisierbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Henning Otte [CDU/CSU]: Richtig einzäunen!)

Wir werden deshalb gemeinsam mit den Bundesländern und natürlich mit dem Bundestag und mit der Praxis diskutieren, was das Sinnvollste ist. Ich glaube, dass diese Debatte vielleicht noch mal ein Anstoß dafür sein kann, dass wir uns alle auf die Lösungen konzentrieren und weniger auf den Populismus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, dass es für alle Weidetierhalter eine schlimme Belastung ist, wenn sie auf die Weide kommen und dort gerissene Tiere vorfinden. Das ist wahr. Aber es ist auch wahr, dass der Wolf ein Säugetier ist, ein Tier, das Schmerzen empfindet, das in einem Familienverband lebt.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und die Schafe?)

Deshalb sollten wir nicht das eine gegen das andere aufhetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war jetzt sehr populistisch!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich kann die Mitglieder der Bundesregierung nicht unterbrechen und sie auf ihre Redezeit hinweisen. Es wäre trotzdem sehr schön, wenn die Bundesminister die angemeldete Redezeit auch beachten würden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist nur ein Hinweis. Ich habe gerade mit einem meiner Schriftführer eine Kontroverse über die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geführt. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass ein Bundesminister jederzeit das Wort ergreifen darf und auch so lange reden darf, wie er oder sie will.

(Andreas Bleck [AfD]: Das verlängert die Redezeit!)

Nur wenn man 20 Minuten überschreitet, dann kann ich einschreiten.

Nächster Redner ist der Kollege Klaus Mack, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)