Rede von Katja Keul Rechtsberatende Berufe

10.06.2021

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir werden heute sowohl dem Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts als auch der Neuregelung der Berufsausübungsgesellschaften zustimmen.

Notarinnen und Notaren soll es künftig ermöglicht werden, ihre Bestellung für die Betreuung bzw. Pflege von Angehörigen ruhen zu lassen, und die örtliche Wartefrist vor der Bestellung soll gelockert werden. Das ist positiv, zumal es immer schwieriger wird, genug Interessenten in jedem Amtsgerichtsbezirk zu finden.

Für die Juristenausbildung wird klargestellt, dass Prüfungsleistungen künftig auch elektronisch erstellt werden können, und es wird endlich ein Teilzeitreferendariat eingeführt.

Mit dem Änderungsantrag wird auch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der SED-Diktatur zum Pflichtfach. Auch das ist uneingeschränkt zu begrüßen.

Mit dem zweiten Gesetz, das Sie uns hier vorlegen, sollen sich Anwältinnen und Anwälte künftig mit anderen freien Berufen zu Berufsausübungsgesellschaften zusammenschließen dürfen. Man kann zwar daran zweifeln, ob der Bedarf wirklich so groß ist, aber wenn letztlich nicht zwingende Gründe dagegenstehen, ist ein Verbot nicht länger zu rechtfertigen. Diese Gesellschaften dürfen künftig alle möglichen Rechtsformen wählen, werden als Gesellschaft zur Rechtsberatung zugelassen und sind dann selbst postulationsfähig. Und – oh Wunder! – sie erhalten sogar ein eigenes elektronisches Kanzleipostfach. Wer dann genau befugt ist, das Postfach für die Gesellschaft zu nutzen, ist leider einigermaßen kompliziert geregelt. Langfristig muss die Nutzung digitaler Kommunikation und elektronischer Postfächer genauso einfach werden wie die Nutzung von analoger Post und analoger Briefkästen. Und deswegen muss es auch ein·Kanzleipostfach für alle Kanzleien geben und nicht nur für die eingetragenen Gesellschaften.

Das überflüssige Tätigkeitsverbot beim Erhalt vertraulicher Informationen haben Sie mit dem Änderungsantrag zum Glück gestrichen, was uns die Zustimmung zum Gesetz deutlich erleichtert.

Auch dass Sie jetzt im Nachhinein noch die Pflicht zum Erwerb von Berufsrechtskenntnissen eingeführt haben, ist zu begrüßen. Eine allgemeine Fortbildungspflicht, wie sie seit mindestens 20 Jahren diskutiert wird, gibt es leider immer noch nicht.

Was ich mir außerdem gewünscht hätte, wäre eine Klarstellung, dass alle Anwaltsgesellschaften unabhängig von ihrer Größe und ihrer juristischen Form selbstverständlich verpflichtet sind, auch Beratungshilfemandate anzunehmen. Hier klafft die Praxis und die Gesetzeslage leider deutlich auseinander.

Umstritten ist nach wie vor die Stimmrechtsgewichtung in der Bundesrechtsanwaltskammer. Die kleinen Kammern haben die Sorge, dass künftig die großen Kammern, allen voran München, Berlin und Düsseldorf, dominieren. Ob es tatsächlich ein Demokratiedefizit gab, halte ich auch für zweifelhaft. Am Ende gilt aber eben auch, dass große Kammern nicht automatisch große Kanzleien bedeutet und die Einzelanwältinnen und Einzelanwälte erfahrungsgemäß auch in großen Kammern durchaus vertreten sind.

Der nun gefundene Kompromiss mit einer Stimmgewichtung in zehn Stufen und einer doppelten Quotierung sollten eigentlich funktionieren. Wir sollten die Entwicklung weiter sorgfältig beobachten, um gegebenenfalls negative Auswirkungen rechtzeitig zu korrigieren.