Dr. Till Steffen
09.02.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über ein Gesetz, das den Beruf des Rechtsanwalts regelt. In Deutschland ist es so: Mit zwei Staatsexamina kann wirklich jeder, wie wir gerade gesehen haben, Rechtsanwalt werden.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Brandner, 78 Stimmen bei der Wahl vorhin – das ist deutlich weniger, als Ihre Fraktion Mitglieder hat.

(Stephan Brandner [AfD]: Wie viel weniger ist das denn?)

Insoweit ist das ein Negativrekord bei dieser Übung. Herzlichen Glückwunsch!

Aber ganz ernst gemeinte Glückwünsche gehen an Benjamin Strasser, den Parlamentarischen Staatssekretär. Schön, dass Sie Ihren Geburtstag heute mit uns verbringen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Und schön, dass wir dieses Gesetz mit so viel Eintracht, aber auch so viel Sorgfalt bewegt haben. Wir haben ja bei einigen Themen noch mal sehr genau hingeschaut.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Dr. Steffen, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Brandner?

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Zum Rechtsdienstleistungsgesetz. Es geht natürlich um ganz viele Themen, wie hier auch schon angesprochen worden ist. Es geht um ganz viele Fragen zu Legal Tech, also zum Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und Recht. Deswegen habe ich mir gedacht, ich fordere ChatGPT einfach mal auf: „Erzähl mir einen Witz über Anwälte“, und ChatGPT hat Folgendes herausgegeben: Warum haben Anwälte immer Bleistifte hinter dem Ohr? Weil sie auch ohne das nicht schlau wären. – Ich finde, das Beispiel zeigt, dass die künstliche Intelligenz noch nicht ganz am Ende ihrer Entwicklung ist; sie hat noch einen gewissen Weg vor sich.

Ich würde zudem sagen – im positiven Sinne –: Der Legal-Tech-Markt hat auch noch einen Weg vor sich. Wir wissen, dass sich der Markt noch rasant entwickeln wird. Herr Luczak, ich gebe Ihnen recht: Wir werden auch noch weitere Schritte der Regulierung bei diesem Thema gehen müssen. Insofern wird das nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir an dieses Gesetz herangehen.

Dass wir die Bußgelder vereinheitlicht haben, ist ja eben schon anschaulich gemacht worden; das will ich nicht wiederholen. Die zentrale Frage betrifft vor allem die Zentralisierung der Aufsicht über den ganzen Bereich des Inkassos. Und, ja, richtig ist: Das ist eine Aufgabe, die bislang die Länder gemacht haben und die sie künftig nicht mehr machen werden. Insofern: Ja, es ist schon auch eine Entlastung.

Aber das ist nicht das Thema, das im Hinblick auf die Frage, wie wir die Justiz insgesamt leistungsfähiger machen, entscheidend sein wird. Bei den ganzen Gesetzen, die wir hier im Deutschen Bundestag beschließen und die Mehrbelastungen mit sich bringen, steht das in gar keinem Verhältnis, was hier an Entlastungen entsteht. Jede Hochstufung eines Vergehens zu einem Verbrechen schafft mehr Mehrarbeit, als Entlastungen an dieser Stelle entstehen.

Trotzdem ist es richtig, dass wir das machen, dass wir das beim Bundesamt für Justiz vereinheitlichen, weil wir hierdurch einen effektiven Verbraucherschutz erreichen. In der Tat – Herr Luczak, Sie haben es angesprochen – sorgen wir im Gegenzug auch dafür, dass die Seriosität bei denen, die am Markt auftreten, höher ist und dass denen geholfen wird, die in seriöser Weise am Markt agieren. Wir schaffen faire Wettbewerbschancen für diejenigen, die sich an die Regeln halten, indem wir die Regeln effektiv durchsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Warum ist es wichtig, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor unseriösen Praktiken schützen? Viele von uns haben es schon erlebt: In Hamburg gab es die regelrechte Masche, dass Namen von Politikern herausgepickt wurden, um ihnen Mahnbescheide zuzustellen. Da waren Inkassounternehmen unterwegs und haben gesagt: „Sie haben ein Schminkset bestellt“, so ging es mir zum Beispiel, „das müssen Sie jetzt doch mal bezahlen.“ Bei einem Adresshändler wurde eine Adresse gefunden, und dann bekam ich entsprechende Post.

Ich wusste natürlich, was zu tun ist. Aber der entscheidende Punkt ist – das ist das Ernsthafte –: Es gibt viele Menschen, die große Angst haben, wenn sie Post von einem Inkassounternehmen kriegen und wenn sie mit einer Forderung konfrontiert werden. Sie zahlen dann zum Teil tatsächlich, obwohl die Forderung gar nicht berechtigt ist. Dann ist in der Tat eine effektive Aufsicht notwendig, damit sich die Leute wehren können, damit schwarzen Schafen das Handwerk gelegt wird und sie nicht weiter agieren können.

Da erleben wir, dass die Aufsicht sehr unterschiedlich ist. Herr Luczak, ich habe meine Worte in Ihrer Rede gerade wiedergefunden.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: ChatGPT!)

Das waren ja meine Erfahrungen, die ich in der Aufsicht über die Aufsicht gemacht hatte. Das Thema ist vielfach das Stiefkind bei der Justiz. Das führt dazu, dass mit sehr unterschiedlichen Maßstäben agiert wird und dass gerade diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten wollen, schnell mal ihren Sitz wechseln und dann bei jeder Aufsichtsbehörde neu anfangen. Diese Möglichkeit werden wir abschaffen, wenn künftig einheitlich das Bundesamt zuständig ist.

Also: Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Verbraucherschutz und zu einem modernen Rechtsdienstleistungsmarkt, aber nicht der letzte. Deswegen freue ich mich natürlich auch auf die nächsten Runden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Steffen. – Die AfD-Fraktion in Person des Kollegen Brandner hat für den Kollegen Brandner eine Kurzintervention beantragt, die ich jetzt zulasse.

(Timo Schisanowski [SPD]: Jetzt aber zum Thema!)