Rede von Dr. Franziska Brantner Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa

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18.09.2020

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind das Fundament der Europäischen Union. Und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen in Europa heute unter Druck; sie werden von innen und von außen bekämpft. Deswegen brauchen wir einen wirksamen Rechtsstaatsmechanismus mit einer unabhängigen Rechtsstaatskommission, die alle Länder, eben auch Deutschland, regelmäßig überprüft. Das fordern wir Grüne seit 2015, und ich freue mich, dass dies jetzt im Antrag der Koalition auch aufgegriffen wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme jetzt zu den aktuellen Punkten – der Kollege Kuhle hat es schon angesprochen –: Jetzt gerade verhandelt die deutsche Ratspräsidentschaft mit dem Europäischen Parlament über den europäischen Haushalt und den Wiederaufbaufonds. Da geht es um Milliarden Euro und die um die Frage: Knüpfen wir den Erhalt dieser Gelder an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, oder tun wir es nicht?

Frau Merkel hatte im Europäischen Parlament die Rechtsstaatlichkeit in das Zentrum Ihrer Rede gestellt. Bei dem Gipfel im Juli kam dann aber ein so was von windelweicher Kompromiss heraus, dass man von „Kompromiss“ eigentlich nicht mehr sprechen kann.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider! Leider!)

Sie haben die qualifizierte Mehrheit umgedreht. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass man den Vorschlag der Kommission zur Kürzung von Geldern nur mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat aufhalten kann. Sie haben akzeptiert, dass es jetzt eine qualifizierte Mehrheit dafür braucht. Das Europäische Parlament kämpft, richtigerweise, noch dafür, dass wir am Ende einen wirklich effektiven Rechtsstaatsmechanismus bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für diesen konkreten Punkt, der in Ihrem Antrag fehlt, haben wir Ihnen heute eine Artikel-23-Stellungnahme vorgelegt, in der genau steht, dass Sie keinem europäischen Haushalt ohne einen effektiven Rechtsstaatsmechanismus zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Denn was bringt es uns, wenn wir hier über Rechtsstaatsmechanismen und die Rechtsstaatlichkeit reden und gleichzeitig dieser Punkt in den Verhandlungen untergeht? Das darf nicht passieren. Wir dürfen Demokratiezerstörern keine EU-Gelder geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Wochenende, am Samstag, ließ die Regierung in Ungarn eine neue Hetzkampagne und Verschwörungstheorie los. Nach den Angriffen auf Herrn Soros und Herrn Juncker ging es nun gegen den Migrationsexperten Gerald Knaus. Er sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit, er arbeite gegen Ungarn, er arbeite natürlich mit Soros zusammen. Das ist wieder ein Paradebeispiel für Orbans Propagandamaschine, wie er Menschen diffamiert, wie dieser Demokratiezerstörer mit Minderheiten, mit Demokratievertretern umgeht. Und es ist unerträglich, dass er immer noch nicht aus Ihrer Parteienfamilie rausgeschmissen wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Und wenn Sie, liebe CDU/CSU, es wirklich ernst meinen mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dann unterstützen Sie endlich all Ihre Schwesterparteien, die darauf drängen, dass Orban rausgeschmissen wird, dass dieser Dienstantisemit aus Budapest endlich nicht mehr Teil der konservativen Familie ist. Tun Sie das, dann haben Sie viel mehr erreicht als alles, was hier auf dem Papier steht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Brantner. – Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Johannes Schraps, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)