Dr. Jan-Niclas Gesenhues
09.02.2023

Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dafür, dass Kreislaufwirtschaft eine der ganz zentralen Stellschrauben für Klimaschutz und für Naturschutz ist, ist mir dieser Aspekt bisher, ehrlich gesagt, ein bisschen zu kurz gekommen.

Man muss sich mal überlegen, dass 90 Prozent des weltweiten Biodiversitätsverlustes und der Naturzerstörung mit Rohstoffabbau zu tun haben; das ist schon erheblich. Auch im Hinblick auf das Klima sind die Zahlen erheblich: 2,8 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr entstehen allein durch die globale Zementproduktion.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Deswegen ist Recycling ja so wichtig!)

Wem das zu abstrakt ist, dem kann ich ganz konkret sagen: Bei mir in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wird im Teutoburger Wald wertvollster Waldmeister-Buchenwald für die Zementindustrie abgebaggert. Das wird dann verarbeitet, und in so einem Werk fallen dann pro Jahr 1,2 Millionen Tonnen CO2 an, ungefähr so viel wie in einer mittelgroßen Stadt.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Deswegen ist Recycling so wichtig!)

Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir dringend eine Bauwende.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Björn Simon [CDU/CSU]: Ein bisschen zu kurz gedacht! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir brauchen Recycling!)

– Was heißt, da haben wir dann vielleicht noch eine Gemeinsamkeit, zumindest wenn man Ihre Sonntagsreden anhört.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ihre Ministerin macht gar nichts für Kreislaufwirtschaft!)

Aber jetzt schauen wir mal in Ihren Antrag; da sieht es nämlich ganz anders aus. Bauwende heißt: wiederverwerten, recyceln, auch auf natürliche Baustoffe setzen und vor allem auch vermeiden, also vorne ansetzen in der Abfallhierarchie der Kreislaufwirtschaft. Den Aspekt Vermeidung vermisse ich in Ihrem Antrag völlig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber deswegen kann man doch nicht gegen Recycling reden!)

Wir brauchen die Bauwende aus ökologischen Gründen, aber auch aus ökonomischen Gründen. Kreislaufwirtschaft – das ist vorhin angeklungen – ist auch für die Wirtschaft ganz wichtig; sie ist attraktiv für die Wirtschaft, weil sie dabei hilft, Energie zu sparen, Abfall zu sparen, Kosten zu senken und vor allem auch Jobs zu schaffen. Wir können europaweit 700 000 neue Jobs in der Kreislaufwirtschaft schaffen. Dieses Potenzial sollten wir nutzen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Also: Kreislaufwirtschaft schafft Innovation.

Leider ist der Antrag der Union relativ wenig innovativ. Er hebt vor allem auf Dinge ab – das ist vorhin bei verschiedenen Rednern angeklungen –, die wir schon längst machen. „Qualitätsgesicherte Abfallprodukte sollen aus dem Abfallrecht entlassen werden“, steht im Koalitionsvertrag. Auch eine produktspezifische Mindestquote für den Einsatz von Rezyklaten haben wir uns vorgenommen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ja, und wo ist die Umsetzung? – Björn Simon [CDU/CSU]: Sie stellen die Regierung! Sie sollten mal was tun, anstatt zu reden!)

Das Vergaberecht erneuern, das ist ein Punkt, bei dem ich mir wünschen würde, dass Ihre Landesregierungen da mitziehen. Wir müssen nämlich einen Markt schaffen für Recyclingmaterialien. Da kann die öffentliche Hand eine ganz wichtige Rolle spielen. Was aber machen Sie in den Ländern?

(Björn Simon [CDU/CSU]: Was sind die Vorschläge dieser Regierung?)

Sie blockieren ökologische und soziale Vergabekriterien, und das ist ein Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Was ist bei Rezyklaten schon passiert?)

Also: Liefern Sie bitte mal Lösungen statt Bedenken! Stattdessen spielen Sie den Klimaschutz gegen die Kreislaufwirtschaft aus.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir wollen das gemeinsam schaffen!)

Kreislaufwirtschaft ist aber Klimaschutz, und das ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht zum Ausdruck gekommen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist genau der Unterschied: Umwelt und Wirtschaft zusammen!)

Zweiter Punkt. Sie bringen Schadstoffgrenzwerte gegen Recyclingquoten in Stellung.

(Björn Simon [CDU/CSU]: Man muss es zusammendenken!)

Auch hier würde ich mir weniger Bedenken und mehr Lösungen wünschen. Kreislaufwirtschaft und Gesundheit gehören nämlich zusammen; es sind keine Gegensätze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sie bauen doch die Gegensätze auf!)

Schadstoffausschleusung gehört ganz zentral zur Kreislaufwirtschaft dazu. Deswegen brauchen wir eine innovative Strategie, wir brauchen einen Markt für Recyclingbaustoffe. Das gehen wir an mit einer intelligenten Kreislaufwirtschaftsstrategie, die die Bundesregierung vorlegen wird.

(Björn Simon [CDU/CSU]: Da sind wir mal gespannt!)

Ihr Antrag reicht dafür leider nicht aus.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Björn Simon [CDU/CSU]: Weniger reden! Mehr handeln!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Sebastian Roloff für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)