Rede von Claudia Müller Recycling von Schiffen

18.10.2018

Claudia Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach langer Ankündigung wird nun das Hongkong-Abkommen endlich in Deutschland ratifiziert. Dafür möchte ich der Bundesregierung danken. Denn das Hongkong-Abkommen ist ein wichtiger Schritt zu einer umweltfreundlicheren maritimen Wirtschaft. Dieses Abkommen zeigt anschaulich, dass auf internationaler Ebene die Schifffahrt einsieht, dass sie umweltfreundlicher werden muss. Einige Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit machen das deutlich:

Verbot von Einhüllentankern zur Vermeidung von schweren Tankerunfällen und damit verbesserter maritimer Sicherheit; Abgasvorschriften, die auf sauberere Luft in den Häfen abzielen – dazu zählt auch der aktuelle Beschluss der internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO, die Emissionen aus der Schifffahrt bis 2050 um 50 bis 100 Prozent zu reduzieren –, sowie ein verantwortungsvolleres Schiffsrecycling durch das Hongkong-Abkommen statt „beaching“ zum Beispiel an den Stränden von Chittagong in Bangladesch.

Wir merken, das Thema Verantwortungsbewusstsein und Umweltschutz kommt langsam, aber sicher auch bei den weltweiten Reedern an.

Bei scheinbar so viel Bewusstsein sollten wir uns trotzdem den Werdegang des Hongkong-Abkommens noch einmal ansehen: Weltweit ist es bisher gang und gäbe für Reeder, Schiffe nach ihrer Dienstzeit an einen Schiffsfriedhof in Südasien zu verkaufen. Damit hat der Reeder das Schiff meist nur zwischen dem Bau in der Werft und dem Ende der Betriebsphase im Blick gehabt. Was danach passierte, war für ihn oder sie „aus den Augen, aus dem Sinn“. Nun muss der Reeder oder die Reederin das Schiff über den gesamten Lebenszeitraum, „von der Wiege bis zur Bahre“, betrachten und dafür Verantwortung übernehmen.

Über die Zerlegung des Schiffes in seine Einzelteile und die mögliche Wiederverwendung kümmern sich meist unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen die Schiffsfriedhöfe in Südasien. Arbeitsschutz und Umweltvorschriften sind dort Fremdwörter. So werden dort Schiffe per Hand und ohne Schutzkleidung auseinandergenommen, läuft das restliche Schweröl ins Meer oder werden Arbeiter giftigen oder sehr schädlichen Materialien wie Asbest ausgesetzt. Doch mit dieser Abwrackpraxis muss endlich Schluss sein!

Auch in Europa haben wir Werften, für die, nach Inkrafttreten dieses Abkommens, dieser Bereich interessant sein könnte. Doch Abwrackwerft möchte man als Werftbetreiber hierzulande anscheinend nicht sein, Neubau klingt besser und innovativer. Genau hier ist ein Umdenken der Werften erforderlich, denn ich sehe hier schon ein interessantes Geschäftsfeld; außerdem hat dies auch etwas mit Verantwortung für die heimische Werftenindustrie zu tun. Recycling ist innovativ und ein wichtiger Bestandteil einer zukunftsorientierten Rohstoffstrategie. Vielleicht brauchen wir hier einen neuen Blick.

Zurück zur weiteren Umsetzung des Abkommens: Es ist nun an Deutschland, in der Europäischen Union und in der IMO für weitere Ratifizierungen dieses sinnvollen Abkommens zu sorgen und auf Werbetour zu gehen; denn es fehlen nur noch einige Länder. Alleine mit der Ratifizierung des Abkommens durch Staaten mit großen Flotten wie Liberia und die Marshallinseln – oder Staaten mit großer Abwrackkapazität wie Indien und die Türkei – würde das Abkommen sofort in Kraft treten.

Kaum eine Regelung geht üblicherweise ohne zusätzliche Bürokratie einher. Daher appellieren wir an die Bundesregierung, alle im Gesetz enthaltenen und notwendigen Dokumente, die die Reeder vorweisen müssen, auch elektronisch verfügbar zu machen. Eine einfache Handhabung verringert zumeist den Anreiz, Regelungen zu umgehen. Der Mensch ist schließlich bequem.

Dies sollte generell zukünftig bei allen Gesetzen, die die Seeschifffahrt betreffen, vorgesehen werden. Das würde das Handling von Dokumenten und Zeugnissen auf den Schiffen, aber auch für die Seeleute deutlich erleichtern und vereinfachen.

Wir freuen uns über die Ratifizierung des Abkommens für umweltfreundliches und sicheres Schiffsrecycling in Deutschland. Damit sind wir einen erheblichen Schritt weiter – doch sind wir noch nicht am Ende. Jetzt muss Deutschland Druck bei anderen Schifffahrts- und Werftstandorten ausüben, das Abkommen zu ratifizieren!