Helge Limburg MdB
30.11.2023

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben gegenwärtig die Flucht von vielen Menschen aus verschiedenen Ländern nach Europa und natürlich auch nach Deutschland. Der Kollege Thomae hat es bereits gesagt: Ein großer Anteil davon sind noch immer Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem verbrecherischen russischen Angriffskrieg auf ihr Land zu uns fliehen. Die Unterbringung, die Versorgung, die Betreuung, die Beschulung dieser Menschen und vieles mehr sind natürlich eine große Herausforderung für unsere Länder, insbesondere für die Kommunen. Ich möchte an dieser Stelle einmal sagen: Allen, die daran haupt- und ehrenamtlich in unserem Land mitwirken, gilt unser aller großer Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] und Clara Bünger [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, die öffentliche Debatte in den vergangenen Monaten fokussierte sich leider viel zu selten auf die Frage, was wir tun können, um die Kommunen bei dieser Arbeit zu unterstützen. Sie drehte sich auch nicht um die Frage der humanitären Hilfe, also was wir tun können, um möglichst vielen Menschen ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Würde in ihren Heimatländern zu ermöglichen. Und selbst die Frage, wie wir dem Arbeitskräftemangel in unserem Land auch dadurch begegnen können, dass wir mehr Geflüchteten Zugang zum Arbeitsmarkt geben, stand viel zu lange nicht im Mittelpunkt der Debatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist sehr gut, Frau Ministerin, dass dieser Gesetzentwurf damit jetzt Schluss macht und wir Geflüchteten schneller erlauben, zu arbeiten.

Die Union hat stattdessen – nicht wahr, Herr Merz? – eine Debatte über Zahnarztbehandlungen und eine Arbeitspflicht angezettelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir über eine Pflicht, zu arbeiten, nachdenken, sollten wir doch erst einmal über eine Erlaubnis, zu arbeiten, diskutieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die gibt es doch!)

Herr Kollege Hoppenstedt, ich habe Ihnen genau zugehört. Ihre Aussage, dass dann ja jede Person, nur weil sie einen Job hat, hierbleiben dürfe, finde ich schon befremdlich. Ja, in der Tat ist das Ziel dieser Politik, dass wir den Firmen, die händeringend nicht nur nach Fachkräften, sondern auch nach Arbeitskräften suchen, die Mitarbeitenden nicht mehr quasi von der Werkbank weg abschieben, sondern den betreffenden Menschen erlauben, hier zu arbeiten und damit zum Wohlstand in diesem Land beizutragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich weiß ja nicht, was die Firmen in Ihrem Wahlkreis sagen; aber bei uns gibt es jedenfalls einen sehr großen Bedarf an Arbeitskräften und Arbeitserlaubnissen.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU in Niedersachsen sieht das auch so!)

Meine Damen und Herren, die Debatte fokussierte sich in der Tat vor allem auf immer härtere Eingriffe in die Grundrechte von Geflüchteten. Die Logik, damit Menschen abzuschrecken, hierherzukommen, wird aber nicht funktionieren. Wer aus Afghanistan, Syrien, dem Sudan oder dem Jemen flieht, der flieht um sein Leben und wird sich auch nicht durch noch so repressive Maßnahmen von Behörden davon abhalten lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wenn man aus dem Sudan kommt, gibt es viele Möglichkeiten, wohin man gehen kann! Dann muss man nicht nach Deutschland!)

Diese Realität anzuerkennen, Herr Frei, würde uns allen guttun, weil es uns auf den Boden der Tatsachen zurückführen würde. Es ist in der Tat gut, dass die Ampelkoalition sich im Haushaltsverfahren auf eine Aufstockung der Mittel für humanitäre Hilfe geeinigt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, klar, auch Abschiebungen können in einem Rechtsstaat die Folge eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens sein, wenn es keine Perspektive auf ein Bleiberecht gibt.

(Beatrix von Storch [AfD]: Nicht können, sondern müssen!)

Aber das sollte kein Grund für markige Sprüche und verbale Überbietungswettbewerbe sein. Eine Abschiebung bleibt ein tiefer Einschnitt, eine traumatisierende Erfahrung und sollte deshalb in einem Rechtsstaat so schonend wie irgend möglich durchgeführt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir werden als Deutscher Bundestag, wie es unsere Aufgabe ist, den Gesetzentwurf in aller Gründlichkeit beraten. Der Deutsche Bundestag ist, auch wenn einige öffentliche Äußerungen anderes suggerieren, nicht das Erfüllungsorgan der Ministerpräsidentenkonferenz,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

die im Grundgesetz nicht mal Erwähnung findet, sondern wir haben eine eigene Pflicht zur Abwägung und Beratung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir können über vieles reden. Aber wir verhandeln nicht über die Grundlagen und Grundpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaats.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nach Artikel 25 Grundgesetz sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil unserer Rechtsordnung. Das gilt für die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und natürlich auch für das Seerechtsübereinkommen.

Ich komme zum Schluss. Der deutsche Gesetzgeber kann und wird nicht – auch wenn es die Sorge gab – Seenotrettung unter Strafe stellen; sie ist durch das Seerechtsübereinkommen Jedermannspflicht auf See. In dieser Frage wird es am Ende keine Zweideutigkeiten geben.

Ich freue mich auf die Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Manuel Höferlin.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)