Rede von Frank Bsirske Sanktionsmoratorium

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19.05.2022

Frank Bsirske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Abgeordnete! Rückwirkende Sanktionen nach Ablauf des zwölfmonatigen Moratoriums sind nicht beabsichtigt und werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ausgeschlossen. Ich hatte letzte Woche an dieser Stelle unterstrichen, dass bis heute kein Nachweis vorliegt, dass die bisherige Sanktionspraxis einen Beitrag zur nachhaltigen und langfristigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt leistet,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist definitiv falsch!)

und darauf hingewiesen, dass viele Sanktionen dagegen nachweislich zu Unrecht ausgesprochen und von den Sozialgerichten zurückgewiesen werden.

Zur Erinnerung: Im Jahr vor Corona waren 30 Prozent der Widersprüche und 36 Prozent der Klagen erfolgreich. Die vielen und offenbar ja auch gerechtfertigten Rechtsstreitigkeiten binden jede Menge Personal, Personal, das dann für Beratung und Vermittlung nicht zur Verfügung steht. Eine Erfolgsbilanz sieht, weiß Gott, anders aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Sie schließen die Augen!)

Die Ampelfraktionen haben sich daher in ihrer Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, den Sozialstaat bürgerfreundlicher machen zu wollen, bei der Ausgestaltung des Bürgergeldes die Würde des Einzelnen zu achten, eine Beratung auf Augenhöhe zu gewährleisten und durch die Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ermöglichen, dass eine Vertrauensbeziehung entstehen kann.

An diesen Zielsetzungen muss sich die Ausgestaltung der Mitwirkungspflichten orientieren. Sanktionsregelungen dürfen diese Ziele nicht konterkarieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

In jedem Schriftstück direkt Sanktionen anzudrohen und eine für viele unverständliche Rechtsfolgebelehrung sind für eine Vertrauensbildung, ein Agieren auf Augenhöhe nicht dienlich.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: In jedem staatlichen Schreiben steht ja eine Rechtsfolgebelehrung!)

Terminvorladungen der Jobcenter sollten deshalb durch Terminvereinbarungen ersetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Vorgeschlagene Termine müssen angenommen, bestätigt oder verschoben werden. Wird auf zwei Aufforderungen nicht reagiert, kann eine Vorladung mit Rechtsfolgehinweis verschickt werden. Bei den Sanktionen sollte von einer Muss- zu einer Kannregelung im Gesetz übergegangen werden. Das stärkt die individuelle Arbeit der Fallmanager/-innen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das macht es rechtsunsicher!)

Sanktionen sollten in kleineren Sprüngen gestaffelt erfolgen können; auch sollte die starre Dauer von drei Monaten aufgehoben werden. Wer seinen Mitwirkungspflichten nachkommt, sollte wieder den vollen Regelsatz bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Schließlich sollte die Höhe der finanziellen Leistungsminderungen begrenzt und sollten ersatzweise Gutscheine ausgegeben werden.

Zusammenfassend, Abgeordnete: Wir wollen mit dem Bürgergeld das Hartz-IV-System überwinden. Ich habe einige Punkte angesprochen, die dabei eine wichtige Rolle spielen könnten. Ich kann Ihnen heute versichern: Die Ampel wird die vor uns liegenden Sommermonate nutzen, um ein Bürgergeldkonzept zu konkretisieren, das den Zielsetzungen unseres Koalitionsvertrages gerecht wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Hannes Gnauck, AfD-Fraktion, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der AfD)