Rede von Beate Müller-Gemmeke Sanktionsmoratorium

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19.05.2022

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Menschen sind aus ganz unterschiedlichen Gründen langzeitarbeitslos. Manche haben keine Ausbildung, andere haben gesundheitliche Probleme, manchmal ist es einfach nur das Alter. Sie haben dann kaum Chancen, weil unsere Arbeitswelt nicht inklusiv ist. Langzeitarbeitslosigkeit ist also kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem, und weil niemand freiwillig vom Existenzminimum lebt, geht es beim Thema Sanktionen natürlich auch um die Würde der Menschen. Da ist das Bundesverfassungsgericht sehr klar – ich zitiere –:

Insbesondere die Menschenwürde ist ohne Rücksicht auf Eigenschaften und sozialen Status, wie auch ohne Rücksicht auf Leistungen garantiert; sie muss nicht erarbeitet werden, sondern steht jedem Menschen aus sich heraus zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Genau deshalb ist uns Grünen ein Sanktionsmoratorium ein besonderes Anliegen. Auf dem Weg hin zum Bürgergeld klären wir gerade den Übergang. Dazu gehört natürlich auch das Thema Sanktionen. Das ist nicht immer einfach; aber wir sind uns in der Ampel sehr einig, dass beim Bürgergeld natürlich die Menschen im Mittelpunkt stehen. Zentral ist dabei, dass wir eine Teilhabevereinbarung einführen werden, und zwar als echten kooperativen Prozess und nicht einfach per Verwaltungsakt. Die Beschäftigten in den Jobcentern sollen mit den Erwerbslosen realistische Ziele, Teilziele vereinbaren, und zwar gemeinsam auf Augenhöhe; denn nur, wenn die Menschen die Angebote nachvollziehen können, wenn sie auch davon überzeugt sind, nur dann entsteht Motivation für den schwierigen Weg zurück in die Arbeitswelt. Genau das wollen wir mit dem Bürgergeld erreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sanktionen treiben die Menschen häufig in prekäre Jobs, häufig befristet, nur für kurze Zeit. Das ist nicht nachhaltig, und auch das werden wir mit dem Bürgergeld verändern. Nicht alle langzeitarbeitslosen Menschen können direkt in Arbeit vermittelt werden. Viele brauchen erst einmal soziale Teilhabe. Sie brauchen Zwischenschritte, sie brauchen geschützte Räume, in denen sie sich ausprobieren und auch gute Erfahrungen sammeln können. Andere wiederum brauchen echte Qualifizierung. Die Angebote müssen also zu den Menschen passen. Es geht nicht nur um Vermittlung, sondern eben auch um Qualifizierung und um soziale Teilhabe. Deshalb werden wir den Vermittlungsvorrang abschaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zurück zu den Sanktionen. Ja, es wird weiterhin Sanktionen geben, Herr Whittaker; aber wenn wir mit dem Bürgergeld den Perspektivwechsel schaffen, mit Beratung auf Augenhöhe, mit individueller Unterstützung, und das alles mit Respekt und Verantwortung, dann braucht es keine sogenannten Aktivierungsmaßnahmen, und dann braucht es auch keine Sanktionen. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Aber Sie machen ja doch Sanktionen! Habe ich das jetzt richtig verstanden? – Gegenruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hören einfach nicht zu! – Gegenruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU]: Doch! Aber das, was Sie tun, passt nicht zu dem, was Sie sagen! – Gegenruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verstehen es nicht! Lesen Sie doch einfach mal den Gesetzentwurf!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Peter Aumer, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)