Rede von Kai Gehring Schulische Bildung

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29.10.2020

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist vernünftig, während des Wellenbrecher-Lockdowns Kitas und Schulen offen zu halten.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Denn ein weiterer Bildungs-Lockdown wäre unverantwortlich für die junge Generation.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Corona hat die Schullandschaft kalt erwischt. Digitales Lernen steckt in den Kinderschuhen. Ihr Digitalpakt fliegt noch immer nicht. Dazu kommt das alte deutsche Problem: der Mangel an Bildungsgerechtigkeit. Wir müssen dringend achtgeben, dass die Pandemie nicht zu Abertausenden zusätzlichen Schulabbrecherinnen und Schulabbrechern führt, die es ganz klar schwerer haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Darum braucht es jetzt dringender denn je eine Kraftanstrengung für Chancen für alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herausfordernd bleibt, dass Bildung Ländersache ist. Doch die Folgekosten mangelnder Bildung tragen wir gesamtstaatlich. Darum ist gute Bildungspolitik immer auch präventive Sozialpolitik. In unserem föderalen Land gibt es über 4 700 Studiengänge, um Lehrer zu werden, Hunderte Lehrpläne für über Dutzend Schularten. Ein Umzug kostet die Eltern Nerven und die Schüler schnell ein ganzes Schuljahr. Etwas weniger Komplexität, etwas mehr Einheitlichkeit wäre gut,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sagen auch Schüler und Lehrkräfte. Sie haben recht.

Natürlich brauchen wir kein zentralgesteuertes Bildungssystem; nicht jedes Problem muss der Bund lösen. Gute Schulen werden schließlich vor allem vor Ort gemacht. Aber kluge Bund-Länder-Programme können einen Modernisierungsschub leisten,

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ach, wirklich? – Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Ganz neue Töne!)

wie das rot-grüne Ganztagsschulprogramm in den 2000er-Jahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch heute braucht es solche gemeinsamen Antworten, zum Beispiel in der Lehrerausbildung. Herausforderungen wie Diversität, Inklusion, Integration, Digitalisierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung – all das muss sich bundesweit stärker widerspiegeln. Denn das Wichtigste für unsere Schulen sind gut ausgebildete Lehrkräfte mit einer Pädagogik der Vielfalt und Wertschätzung, die Wissen vermitteln, Haltung und Orientierung bieten. Wo solch wertvolle Arbeit geleistet wird, sind die Feinde von Demokratie und Freiheit nicht weit: Lehrkräfte werden von Onlineprangern der AfD eingeschüchtert, Lehrkräfte werden bedroht oder gar angegriffen, weil sie Meinungsfreiheit und eine demokratische Diskussionskultur einüben wollen. Die Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty hat uns zutiefst erschüttert.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Unerhört! – Nicole Höchst [AfD]: In einem Atemzug! Schämen Sie sich!)

Wir müssen unsere Kinder vor Extremismus und Hass schützen. Lehrkräfte brauchen breitesten Rückhalt, damit sie denen Paroli bieten, die meinen, dass nicht die Würde jedes Menschen unantastbar ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nicole Höchst [AfD]: Sagen Sie das mal den Islamisten!)

– Das tue ich ja gerade.

(Nicole Höchst [AfD]: Sehr schön!)

In der Pandemie sind so viele Lehrkräfte über sich hinausgewachsen. Beispielhaft zitiere ich aus einem Brief einer Berliner Lehrerin an ihre vierte Klasse, der mich berührt hat. Als im März Schulen schließen mussten, schrieb sie: Wir stehen vor einem Experiment – Schule von zu Hause aus. An alles, was wir jetzt tun, werdet ihr euch ein Leben lang erinnern. Machen wir also etwas Gutes und Richtiges daraus. – Wir sagen Danke an alle Lehrkräfte, die Kindern auch in schwierigsten Zeiten Mut machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Albani [CDU/CSU])

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Vielen Dank, Kollege Gehring. – Die Kollegin Dr. Dietlind Tiemann ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)