Rede von Maria Klein-Schmeink Schutz elektronischer Patientendaten

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03.07.2020

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Präsident! Lieber Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Man könnte nach der jetzigen Debatte den Eindruck haben, als ginge es nur darum, entweder Datenschutz oder Patientennutzen zu befördern. Aber wir brauchen endlich eine Diskussion, in der das zusammengeführt und entsprechend gestaltet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Tino Sorge [CDU/CSU]: Sowohl als auch!)

Es wurde eben darauf hingewiesen: Wir haben jetzt das dritte Digitalisierungsgesetz. Verschwiegen wird dabei, dass eigentlich schon 2004 die elektronische Gesundheitsakte eingeführt werden sollte.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahnsinn! 16 Jahre!)

Und wenn Sie sich dann mal überlegen, dass wir im Jahre 2020 sind, dann muss man sagen: Wir haben einen sehr, sehr langen Anlauf genommen, einen zu mühseligen und zu stolpersteinigen Weg genommen, und da hat es sehr, sehr viele Bremser gegeben. Auch die FDP, die heute „Digital first, Bedenken second“ sagt, war da ganz, ganz kräftig mit dabei.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ein Quatsch!)

Aber das gehört zur Vergangenheit. Die eigentliche Frage ist ja: Wofür tun wir das? Wir tun das, um die Versorgung zu verbessern und die Rechte der Patientinnen und Patienten im Versorgungsgeschehen zu stärken. Das muss der eigentliche Wesenskern der Herangehensweise sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und da muss ich leider sagen: Dieses Patientendaten-Schutz-Gesetz setzt den Webfehler der vorherigen Gesetze fort. Es gibt immer noch keine systematische Beteiligung von Patientinnen und Patienten auf allen Ebenen der Entwicklung sowie der politischen Entscheidung und der Entscheidung in den Gremien. Da müssen Sie nachbessern. Dann wird das Produkt nämlich auch besser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vertrauen und Akzeptanz haben natürlich auch damit zu tun, dass ich sicher weiß, dass Datenschutz und Datensicherheit gewahrt sind. Erstmalig nach einem so langen Diskussionsprozess haben wir jetzt zum Glück im Gesetz stehen: Diese Akte ist freiwillig, diese Akte wird von den Patientinnen und Patienten selber geführt, und sie entscheiden auch darüber, ob ein Behandlungsdatum, eine Information in die Akte kommt, ja oder nein. Diese Klarstellung war mehr als überfällig. Wäre sie früher erfolgt, hätte es die vielen Bedenken, die es gab, aber auch Unterstellungen verschiedenster Art, erst gar nicht gegeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sind wir froh, dass diese Klarstellung endlich erfolgt ist.

Damit komme ich zu der Frage, wer sie denn eigentlich wie nutzen kann. Auch da vermissen wir, dass tatsächlich auf Patientenkompetenz gesetzt wird, dass daran gearbeitet wird, dass wirklich gut genutzt werden kann, dass diejenigen, die eben nicht über digitale Kompetenz verfügen, tatsächlich einbezogen werden.

Da reicht es uns nicht, dass die Krankenkassen jetzt mal den Auftrag haben, sondern da brauchen wir natürlich die Patientenverbände mit im Boot, wir brauchen die Selbsthilfe mit im Boot, wir brauchen auch die Leistungserbringer mit im Boot, weil es im Zweifelsfall immer eine Situation in der Praxis gibt, in der aufgeklärt werden muss. Und da müssen Sie eine Offensive in Richtung digitaler Kompetenz starten. Alles andere wird dazu führen, dass diese Akte nur sehr zögerlich angenommen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann der ganze Aspekt des Patientennutzens. Sie haben bisher immer noch versäumt, die gesamte Behandlungskette in den Blick zu nehmen. Es ist überhaupt nicht vermittelbar, warum die anderen Heilmittelerbringer so verzögert einbezogen werden. Es ist nicht vermittelbar, warum die Pflege so zögerlich einbezogen wird, dass sie keine Schreibrechte erhält. All das führt dazu, dass gerade die Menschen mit einem erhöhten Unterstützungs- und Behandlungsbedarf sehr spät die Vorteile einer Patientenakte wirklich nutzen können. Dazu muss ich sagen: Da müssen Sie nachlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sind wirkliche Versäumnisse. Da haben Sie echtem Handlungsbedarf zu entsprechen, damit diese Patientenakte, wie Sie eben sagten, zum Fliegen kommt.

Dann sehen wir an dieser Stelle auch sehr, sehr deutlich, dass die Vernetzung im Gesundheitswesen vorankommen muss. Vernetzung bedeutet nicht nur, das Krankenhaus mit der Praxis und der Apotheke zu vernetzen – ein Klassiker –, sondern wir müssen die gesamte Behandlungskette, auch die Reha und die Pflege, hineinnehmen. Da können wir nicht schrittweise in Gesetzesform erst in der nächsten Wahlperiode nachlegen, sondern das muss angegangen werden; denn sonst wird dieses wichtige Erlebnis, dass man tatsächlich koordinierte Leistungserbringung im Gesundheitswesen zum Nutzen der Patienten hat, einfach nicht erfahrbar sein. Da müssen wir hin. Wir werden allen Beteiligten stramm auf den Füßen stehen und mit Nachdruck darauf drängen, dass Patientenbeteiligung ernst genommen wird, genauso wie der Datenschutz und die Datensicherheit.

In diesem Sinne geht es voran. Wir werden uns enthalten, weil eben dieser Webfehler noch immer im Gesetz drin ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Herr Bundesminister Jens Spahn für die Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)