Rede von Beate Müller-Gemmeke Schutz von Arbeitnehmer*innen

Foto von Beate Müller-Gemmeke MdB
20.04.2023

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Endlich ist es so weit: Wir ratifizieren das ILO-Übereinkommen 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Mit diesem Übereinkommen haben wir endlich eine weltweit verbindliche Definition, die geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung explizit miteinbezieht. Das Übereinkommen ist ein historischer Meilenstein und ein weltweit wichtiges Signal. Deshalb war das ILO-Übereinkommen 190 auch beim letzten Weltkongress des Internationalen Gewerkschaftsbundes die große frauenpolitische Forderung. Wir schreiben heute also Geschichte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Das Übereinkommen stellt klar, dass jede Person das Recht auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung hat. „Gewalt“ wird definiert als Verhalten, das anderen physisch, psychisch, sexuell oder wirtschaftlich schaden will. „Jede Person“ meint alle Arbeitnehmer/-innen, Praktikantinnen und Praktikanten, Azubis, Arbeitsuchende, und zwar im Unternehmen, in der Kantine, in der Pause, auf Dienstreisen oder auch bei der arbeitsbezogenen Kommunikation. Dabei liegt diesem Übereinkommen ein inklusiver und geschlechterorientierter Ansatz zugrunde. Es geht immer um das Ziel, Menschenrechte zu schützen; denn Gewalt und Belästigung sind mit menschenwürdiger Arbeit unvereinbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die ILO verweist in dem Übereinkommen natürlich auch auf grundlegende Arbeitsnormen, auf die Vereinigungsfreiheit, auf Kollektivverhandlungen; denn auch die spielen bei diesem Thema eine wichtige und große Rolle. Wo mitbestimmt wird, wo Menschen sich einmischen können, da herrscht ein offenes Klima, und da hat Gewalt keine Chance.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Konkret werden mit dem Übereinkommen eine umfassende Strategie, natürlich auch ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung, Kontrollen, Durchsetzungsmechanismen und Sanktionen gefordert. Alle Akteurinnen und Akteure sollen aufgeklärt und sensibilisiert werden. Denn alle müssen Gewalt verhindern: Kolleginnen und Kollegen, Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretungen, zentral die Arbeitgeber/-innen, aber nicht zuletzt auch der Staat mit Gesetzen und auch die Aufsichtsbehörden durch Kontrollen. Es geht also darum, eine Arbeitswelt zu schaffen, die null Toleranz gegenüber Gewalt und Belästigung hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wenn es um Gewalt und Belästigung geht, dann stehen vor allem Frauen im Mittelpunkt, aber auch Menschen mit Behinderungen sowie lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen. Denn diese Gruppen müssen leider immer noch besonders vor Gewalt geschützt werden, und dem müssen wir gerecht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Denn auch in Deutschland ist sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz keine Seltenheit. Es ist schon angesprochen worden: In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2019 wurde festgestellt, dass jede elfte erwerbstätige Person in den letzten drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt hat. 48 Prozent der betroffenen Frauen haben sich durch die Belästigung erniedrigt und abgewertet gefühlt. Solche Ergebnisse darf es in Zukunft nicht mehr geben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU])

Weltweit macht laut ILO-Zahlen sogar jede fünfte Person im Arbeitsleben Erfahrungen mit Gewalt und Belästigung. Es ist also an der Zeit, dass wir der Gewalt die Rote Karte zeigen. Ich bin davon überzeugt: Das wird die Arbeitswelt nicht morgen, aber mittelfristig positiv verändern, und zwar weltweit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Norbert Kleinwächter.

(Beifall bei der AfD)