16.03.2018

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem vorliegenden Antrag liegen sehr viele ehrenvolle Motive zugrunde: unsere Partner im Mittelmeer unterstützen, Terror bekämpfen, Menschenschmuggel eindämmen, Waffenhandel stoppen usw. – Das teilen wir alles. Das Problem ist: Wenn man Ihren Antrag liest, bekommt man das Gefühl, dass es dabei nicht um einen Bundeswehreinsatz geht, sondern um einen Wunschzettel.

Damit bin ich beim Grundproblem angelangt. Der Auftrag ist extrem vage. Das Mandatsgebiet ist ziemlich ungenau und extrem groß, und das Mandat ist ein Blankoscheck zur Ausbildung so ziemlich jeder Küstenwache im Mittelmeer. Das heißt: Das, was Sie vorlegen, liebe Bundesregierung, würde Ihnen erlauben, die Küstenwache von Assad auszubilden, ohne noch einmal im Parlament nachzufragen. Das ist eine massive Unterminierung des Parlamentsvorbehalts, die wir nicht mitmachen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Begründung des Antrags steht eine leider sehr akkurate Beschreibung der politischen Probleme im Mittelmeerraum: wirtschaftliches Gefälle, Bevölkerungswachstum, organisierte Kriminalität, Terrorismus und Korruption. – Das ist alles richtig. Nichts davon wird aber mit diesem Mandat adressiert. Das sind politische Probleme, die man auch politisch angehen muss, aber nicht mit der wahllosen Ausbildung von Küstenwachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie gehen diese politischen Probleme nicht an, sondern liefern Waffen nach Ägypten und behaupten, Ägypten sei trotz all der massiven Probleme und Menschenrechtsverletzungen im Land ein Stabilitätsanker. Sie liefern weiterhin Waffen an die Türkei – auch nach dem Einmarsch der Türkei in Syrien. Und Sie setzen mit den Partnern in der Europäischen Union auf genau die Milizen in Libyen, die eine Transition des Landes verhindern. Das ist kein Beitrag zur Lösung der Probleme im Mittelmeerraum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb kann ich meiner Fraktion nicht empfehlen, diesem Mandat zuzustimmen.

In einem muss ich Sie aber in Schutz nehmen. Das, was Sie vorlegen, ist zwar nicht zustimmungsfähig; es ist aber eine Wohltat gegenüber dem Entschließungsantrag der AfD. Mein Lieblingssatz darin lautet: „... ein voller Überblick über die Lage ist nicht mehr möglich.“ Der Kollege Nolte hat das mit seiner Rede gerade eindeutig unter Beweis gestellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Ich bitte aber darum, dass Sie nicht von sich auf andere schließen.

Ich versuche noch einmal, es zu erklären: Wir reden über Menschen, die aus verschiedensten Gründen verzweifelt genug sind, ihre Heimat zu verlassen, die nicht, wie Sie schreiben, Transfergeldempfänger sind, sondern Menschen sind, die große Summen Geld, das sie selbst verdient haben, ausgeben, um sich für einen Traum, der Europa heißt, auf den Weg zu machen. Nicht alle diese Leute können aufgenommen werden. Aber es ist eindeutig, dass diesen Menschen Europa weit mehr am Herzen liegt als Ihnen. Das ist eindeutig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der ­LINKEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist eine Investition in die Zukunft? Es ist unglaublich, was Sie da sagen! Schleppertum unterstützen! Das ist ein Offenbarungseid der Grünen! Ist ja unfassbar! Schlepperindustrie! – Weitere Zurufe bei der AfD)

Diese Menschen sterben im Mittelmeer.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Nouripour, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nolte gestatten?

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Eindeutig.

Jan Ralf Nolte (AfD):

Danke, Herr Kollege. – Ich möchte nur sichergehen, dass ich Sie auch richtig verstanden habe. Sie sagen also, die Menschen, die Sie Flüchtlinge nennen und ich Migranten, wandern hier in den Arbeitsmarkt ein und nicht in die Sozialsysteme. Verstehe ich das richtig?

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich habe nur vorgetragen, was in Ihrem Entschließungsantrag steht. Es ist zu lesen, die Menschen kämen nicht nur hierher, um Geld zu verdienen, nein, sie kämen hierher, um Transfergelder zu bekommen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, was denn sonst?)

Sie ignorieren erstens die Lebensgefahr, in die sich die Menschen begeben. Sie ignorieren zweitens, dass sehr viele dieser Menschen sterben. Sie ignorieren drittens, dass diese Menschen erst viel Geld ausgeben müssen, um sich auf den Weg machen zu können. Das, was Sie sagen, ist schlicht ignorant.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist die Folge Ihrer Flüchtlingspolitik, die Sie unterstützen! Das haben Sie zu verantworten!)

Wenn diese Menschen auf ihrem Weg nicht sterben, landen Tausende von ihnen in Lagern, in denen es laut Auswärtigem Amt – Zitat – „KZ-ähnliche Zustände“ gibt.

Ihre Antwort ist: Hauptsache, die Menschen werden zurückgeschickt, teilweise sogar in diese Lager, und zwar egal von wem. Das kann durch die Bundeswehr sein, das kann aber auch durch jemand anderen sein. Das Problem, das Sie nicht sehen wollen, ist, dass diese „anderen“ Milizen sind. Diese Milizen, über die wir sprechen und die für Sie sozusagen als Zurückschieber annehmbar wären, verdienen ihr Geld mit Drogenhandel nach Europa. Das heißt, Ihr Ansatz ist nicht nur menschenfeindlich, nicht nur unrecht – es gibt nämlich ein Refoulement-Verbot; aber das können Sie gar nicht kennen, weil es ein Fremdwort ist –, sondern das Dramatische ist – ich sage es noch einmal –, dass Sie auf Schmuggler setzen, die Drogen nach Europa schmuggeln. Sie sind ein Sicherheitsrisiko für unser Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)