Foto von Lisa Paus MdB
15.11.2023

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Präsidentin! Werte Abgeordnete! Werte Zuschauende! Für die meisten von uns ist selbstverständlich: Wer wir sind und wie wir leben möchten, das entscheiden wir selbst. Das können nur wir selbst entscheiden. Das kann und darf niemand von außen bestimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Aber genau das war für transgeschlechtliche, für intergeschlechtliche, für nichtbinäre Menschen jahrzehntelang anders. Sie mussten um dieses Recht auf Anerkennung kämpfen.

(Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Das Transsexuellengesetz war für viele von ihnen die reine Demütigung. Und weil es in Teilen gegen unsere Verfassung verstößt – so haben die Richter/-innen in Karlsruhe mehrfach geurteilt –, bringen wir heute das Selbstbestimmungsgesetz ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Künftig entscheiden transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen in Deutschland mit einer Erklärung vor dem Standesamt, mit welchem Geschlecht und mit welchem Vornamen sie eingetragen werden möchten. Viel zu lange – viel zu lange! – haben darüber Gutachter/-innen, Ärztinnen und Ärzte und Richter/-innen entschieden. Mehr als 40 Jahre buchstabierte das Transsexuellengesetz Stereotype und Transfeindlichkeit. Betroffene mussten sich sterilisieren lassen. Betroffene mussten ihre Ehe auflösen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuhörende, wir schaffen endlich klare Verhältnisse!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir machen Politik für die Menschen, und das heißt eben auch: Wir stellen uns schützend vor transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und non-binäre Menschen, vor Menschen, die viel zu lange schon Häme und Spott ausgesetzt sind – und das leider bis heute –, vor Menschen, die alltäglich diskriminiert und sogar körperlich angegriffen werden. Wir sind es ihnen schuldig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Wir sind es ihnen schuldig, ihre längst bestehende Lebensrealität endlich anzuerkennen. Wir sind es ihnen schuldig, sie endlich rechtlich abzusichern. Und das beginnt im neuen Selbstbestimmungsgesetz mit dem Eintrag ins Personenstandsregister. Es geht um nicht mehr, aber eben auch um nicht weniger.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz entfallen demütigende Gutachten, langwierige Gerichtsverfahren und hohe Gebühren. Zugleich sieht das Gesetz ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot vor. Und nirgends – nirgends! – geht es in unserem Gesetz um medizinische geschlechtsangleichende Maßnahmen, und niemandem – niemandem! – nehmen wir ein Recht weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauende, mit diesem Selbstbestimmungsgesetz stehen wir in Deutschland nun in einer Reihe mit Ländern, die geschlechtliche Selbstbestimmung ebenso geregelt haben wie wir: Argentinien hat vor gut zehn Jahren als erstes Land genau das getan und eine Änderung des Geschlechtseintrages per Selbstauskunft ermöglicht. Und mit Spanien und Finnland sind es inzwischen 15 Länder weltweit. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt die geschlechtliche Selbstbestimmung so regeln, wie es sich für einen freiheitlichen Rechtsstaat gehört,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

für den eben die Würde des Menschen der Kern des Rechtsstaates ist.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Kann man auch sein Alter selbst bestimmen? – Gegenruf des Abg. Martin Reichardt [AfD]: Ich fühle mich wie 67! Ich gehe in Rente!)

Ich hoffe auf Ihre Zustimmung.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Dorothee Bär für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)