Rede von Nyke Slawik Selbstbestimmung

Nyke Slawik MdB
12.04.2024

Nyke Slawik (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuhörende! Vor circa zehn Jahren durchlief ich selbst das Transsexuellengesetz, das wir heute durch ein Selbstbestimmungsgesetz ablösen werden. Meine Erfahrung damit möchte ich Ihnen heute schildern.

Ich beantragte damals die Änderung meines Namens und Personenstands nach Transsexuellengesetz. Ich war es schlichtweg leid, dass ich jedes Mal, wenn ich meinen Ausweis zeigen sollte – beim Besuch eines Klubs mit meinen Freundinnen und Freunden oder bei der Fahrscheinkontrolle in der Bahn –, mit der Frage konfrontiert wurde: Ist das der Ausweis deines Bruders? Jedes Mal musste ich erklären, dass der vermeintliche Junge, den der Ausweis da zeigte, ich bin, oder vielmehr: ich war. Ich war es leid, mich jedes Mal erklären zu müssen. Ich war es leid, dass Leute mich anstarrten, wenn ich ihnen erklären musste, dass ich trans bin.

Zwei Jahre und viele Gutachter/-innen-Gespräche und einen Amtsgerichtsprozess später war es so weit: Die Namensänderung war durch und ich knappe 2 000 Euro ärmer, die ich dafür zahlen musste. Geld, das ich als junge Frau gerne in einen Führerschein investiert hätte oder in den Umzug in die erste eigene Wohnung.

Als trans Personen erleben wir immer wieder, dass unsere Würde zur Verhandlungssache gemacht wird. Wir müssen unmenschliche Hürden wie das Transsexuellengesetz ertragen, nur um wir selbst sein zu dürfen. Wussten Sie, dass trans Menschen bis 2008 sich scheiden lassen mussten, um das Gesetz in Anspruch nehmen zu können, und dass sie bis 2011 eine Sterilisation nachweisen mussten? Erst das Bundesverfassungsgericht machte damit Schluss. Es ist höchste Zeit, dass wir nun auch die unnötig langen Gutachter- und Gerichtsverfahren der Namensänderung als Unrecht beenden und dass wir heute endlich die Würde von trans, inter und nicht binären Menschen achten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der Linken)

Das heute abzustimmende Gesetz regelt nur das Personenstandsrecht. Auch bei der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung, bei Beratungsangeboten und der Wiedergutmachung der Menschenrechtsverletzungen gegenüber trans, inter und nicht binären Menschen gibt es noch viel zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

Mit dem heutigen Gesetz machen wir einen ersten großen Schritt in eine selbstbestimmtere Gesellschaft. Ab dem 1. August können trans, inter und nicht binäre Menschen beim Standesamt Termine ausmachen, um nach einer dreimonatigen Wartezeit neue Vornamen und ihren Geschlechtseintrag endlich selbstbestimmt zu wählen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Anke Domscheit-Berg [Die Linke])

Inter Personen brauchen kein Attest mehr und trans und nicht binäre Menschen keine Gutachten mehr. Dann bestimmen nur noch sie selbst über ihren Geschlechtseintrag.

Ich hätte mir als Jugendliche sehr gewünscht, dass es ein solches Gesetz gibt. Und es war einer der Gründe, warum ich für den Deutschen Bundestag kandidiert habe. Ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass wir heute ein Selbstbestimmungsgesetz verabschieden wollen.

Von ganzem Herzen: Danke!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der Linken)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Mareike Lotte Wulf für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)