Rede von Sven Lehmann Selbstbestimmung

Foto von Sven Lehmann MdB
12.04.2024

Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es eben gehört: Über 40 Jahre lang hat das Transsexuellengesetz viel Leid verursacht: Sterilisierungen, Scheidungen, psychiatrische Begutachtungen und langwierige, teure, bürokratische Gerichtsverfahren, und zwar nur, weil Menschen so anerkannt werden wollen, wie sie nun mal sind. Heute machen wir damit endlich Schluss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Selbstbestimmungsgesetz, das gleich zur Abstimmung steht, ist öffentlich sehr intensiv diskutiert worden. Einige dieser Diskussionen waren verstörend und verletzend, vor allem für die Menschen, um die es geht.

(Beatrix von Storch [AfD]: Mimimi!)

Da wurden transgeschlechtliche Menschen beschimpft, es wurde sich über sie lustig gemacht – wir haben es auch eben wieder gehört –; sie wurden als Gefahr oder sogar als Ideologie dargestellt. Transgeschlechtliche Menschen sind aber zuallererst Menschen – Menschen, die das Recht auf volle Grundrechte haben, und genau das setzen wir in diesem Gesetz um, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der Linken)

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein zutiefst liberales Gesetz; denn es beendet die staatliche Bevormundung von Menschen und stärkt ihre Persönlichkeitsrechte.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist auch ein feministisches Gesetz.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nein! Nein, das stimmt nicht!)

Denn es stärkt Selbstbestimmung und gleiche Rechte, und deswegen wird dieses Gesetz auch von allen großen frauenpolitischen Organisationen in Deutschland unterstützt: dem Deutschen Frauenrat, dem Deutschen Juristinnenbund, der Frauenhauskoordinierung, dem LesbenRing und vielen mehr. Und für diese Unterstützung möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Linken)

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein Gesetz, das die Würde des Menschen stärkt,

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ein Schlag ins Gesicht!)

und genau das haben auch die Kirchen deutlich gemacht. So sagt zum Beispiel das Zentralkomitee der deutschen Katholiken – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes, das die gleiche Würde eines jeden Menschen betont, setzt sich das ZdK für einen diskriminierungsfreien Umgang mit trans* und inter* Menschen innerhalb der Kirche und in unserer Gesellschaft … ein. Das ZdK begrüßt ausdrücklich den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung ...“

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Linken)

Auch die evangelischen Frauen, der BDKJ und der Kinderschutzbund fordern sehr deutlich dieses Gesetz. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, hören Sie bitte auf die Kirchen, wenn Sie schon nicht auf die Koalition hören, und stimmen Sie diesem Gesetz gleich zu!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wie Sie bei der Abtreibung, oder? – Zurufe von der CDU/CSU)

Ich danke ausdrücklich SPD, Grünen und FDP für die Arbeit an diesem Gesetz und dafür, dass sie den Entwurf in einigen Punkten verbessert haben. Dieses Gesetz ist wahrscheinlich nur in einer Fortschrittskoalition möglich. Wenn Sie gleich mit Ja stimmen, dann werden Sie nicht nur ein Stück Grundrechtsgeschichte schreiben; Sie werden auch viele Menschen glücklich machen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Linken – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Susanne Hierl für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)