Rede von Dr. Franziska Krumwiede-Steiner Startchancenprogramm

Foto von Franziska Krumwiede-Steiner
11.04.2024

Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Theorie lautet ja: Alle Schülerinnen und Schüler haben das Recht, ungestört zu lernen, und alle Lehrerinnen und Lehrer haben das Recht, ungestört zu unterrichten. Die Praxis sieht aber besonders an den Schulen, die wir mit dem Startchancen-Programm erreichen wollen, anders aus. Es ist ja schön, dass die Union jetzt die frühkindliche Bildung entdeckt hat.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wir haben den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz eingeführt!)

Aber mit dem Startchancen-Programm wollen wir auch weiterführende Schulen erreichen. Die schlechten Ergebnisse hätten wir nicht, wenn Sie die Bedeutung der frühkindlichen Bildung früher erkannt hätten. Wir wollen aber auch etwas für die Sekundarstufe erreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wir haben das eingeführt! Das ist unsere Arbeit!)

Ich war Lehrerin an einer Gesamtschule, und noch vor Kurzem kam ich in einen Klassenraum, in dem die Hälfte der Klasse über Tische und Bänke gesprungen ist. Es war ein Geschrei und ein Lärm, und ein ungestörter Unterricht war nicht möglich. Das Problem war sehr schnell klar: In einer Whatsapp-Gruppe wurde sich seit ein paar Tagen gegenseitig beleidigt. Das ist ein klassischer Fall für das soziale Lernen, das leider wegen des Personalmangels oft hinten runterfällt. Genau da setzt das Startchancen-Programm an. Mit der Säule I ermöglichen wir Investitionen in eine lernförderliche Umgebung. Das kann zum Beispiel ein Trainingsraum sein, in dem sich Schülerinnen und Schüler in der beschriebenen Situation abreagieren können. Mit der Säule II für die Schul- und Unterrichtsentwicklung, dem Chancenbudget, geben wir den Schulen Mittel an die Hand, um etwa die Teilnahme an Antiaggressionstrainings zu ermöglichen. Mit der Säule III – vielleicht die wichtigste – schaffen wir zusätzliche Stellen für multiprofessionelle Teams, damit Schulsozialarbeiter/-innen beispielsweise in ebendiesem Trainingsraum mit den jungen Menschen Sozialformen und Regeln trainieren können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Eine Stelle pro Schüler!)

Auch Schülerinnen und Schüler, die gerade die Sprache neu erlernen oder dank Corona so große Lücken im Lesen haben, dass sie die Aufgabenstellungen gar nicht alleine verstehen können, können den Unterricht stören. Auch hier setzen wir mit dem Startchancen-Programm an; denn unser Ziel ist es, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, deren Basiskompetenzen in Deutsch und Mathe nicht ausreichen, zu halbieren.

Wenn Sie an etwas besonders Schönes in Ihrer Schulzeit denken, was fällt Ihnen ein: Der Moment, als Sie endlich die halbschriftliche Subtraktion verstanden haben,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

oder vielleicht eher die Angebote, die über den Unterricht hinausgingen, wie der Chor, das Theaterprojekt, ein Schüleraustausch, die Eisenbahn-AG oder eine Gedenkstättenfahrt – die würde manchen sehr guttun –,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

ein Ausflug, die Junioruni oder die Teilnahme an den Bundesjugendspielen? All das wird mit Startchancen-Programm erleichtert. Das dient auch den Programmzielen, deren Erreichen vielleicht weniger messbar ist und nicht mit „richtig“ oder „falsch“ wie in Mathe beurteilt werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Startchancen-Programm werden wir die Kinder auch emotional und sozial fördern. Wir wollen junge Menschen zu demokratischer Teilhabe befähigen und diese erlernbar machen. Wenn Sie mich fragen: Nichts ist wichtiger als das. Da wir gerade bei Kompetenzen und Teilhabe sind: Ja, das Startchancen-Programm wird vieles verbessern. Aber wir dürfen auch die digitalen Kompetenzen nicht aus dem Blick verlieren. Wir brauchen den Digitalpakt 2.0. Wir Grüne erwarten vom BMBF, dass die Verhandlungen mit den Ländern hierzu endlich vorankommen. Der Finanzminister muss die Mittel bereitstellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächste hat das Wort für die Gruppe Die Linke Nicole Gohlke.

(Beifall bei der Linken)