Rede von Dr. Danyal Bayaz Steuerliche Förderung von E-Mobilität

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27.09.2019

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann der Koalition nicht vorwerfen, dem Jahressteuergesetz einen knackigen Namen wie „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität“ zu geben. Was man Ihnen schon vorwerfen kann, ist, dass Sie den Eindruck erwecken, hiermit die notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise auf den Weg zu bringen. Das ist Etikettenschwindel, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Werfen wir doch mal einen Blick zurück. Vor ziemlich genau zehn Jahren hat eine andere Große Koalition – viele von Ihnen waren damals schon dabei – eine Abwrackprämie auf den Weg gebracht. Wir haben 5 Milliarden Euro in die Hand genommen, um die Autoindustrie in einer konjunkturellen Delle zu unterstützen. 27 Millionen Steuerpflichtige haben quasi 2 Millionen Pkw-Käuferinnen und -Käufern jeweils 2 500 Euro geschenkt. Das hatte keinerlei ökologische Lenkungswirkung. Es ist kein Zufall, dass das genau die Autos sind, die uns heute in einigen Städten Probleme machen. Ich finde, die Abwrackprämie war genau das Gegenteil von nachhaltiger Finanzpolitik und kluger Industriepolitik.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war nicht klug, aber erforderlich!)

Sie war teuer. Die Gelegenheit, die ökologische Modernisierung einer wichtigen Leitindustrie in diesem Land voranzubringen, wurde damit verpasst. Das müssen Sie sich heute noch mal anhören, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was hat das mit diesem Gesetzentwurf zu tun? Sie wollen jetzt wieder Fördergelder für Autokäufer zur Verfügung stellen, nämlich 250 Millionen Euro für die Elektromobilität. Die strukturellen Hemmnisse und die strukturellen Barrieren auf dem Weg zur emissionsfreien Mobilität gehen Sie aber nicht an.

(Falko Mohrs [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Wir bräuchten eigentlich mehr Mut bei der Reform der Kfz-Steuer und bei der Dienstwagenbesteuerung. Wir müssen emissionsfreie Fahrzeuge steuerlich fördern, und gleichzeitig müssen die Fahrzeuge, die einen hohen CO-Ausstoß haben, teurer werden. Es ist keine Verbotspolitik, sondern Marktwirtschaft, wenn man Umweltverschmutzung einen Preis gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ingrid Remmers [DIE LINKE])

Mit einem funktionierenden Bonus-Malus-System, mit Kaufprämien für Elektroautos würden auch viele unserer Autobauer bei der Fahrzeugentwicklung viel engagierter andere Prioritäten setzen. Das wäre eine kluge Industriepolitik. Ich glaube, viele Ingenieurinnen und Ingenieure in diesem Land würden diese Herausforderung gerne annehmen. Wir würden den Wirtschaftsstandort dadurch nachhaltig stärken. Ich bin echt davon überzeugt, dass Klimaschutz für eine erfolgreiche, wettbewerbsfähige Industrie sehr wichtig ist. Wir brauchen mutige Weichenstellungen und sollten einfach engagierter sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn wir über Wettbewerbsfähigkeit sprechen, dann sollten wir auch die klugen, gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Blick nehmen. Der Kollege hat es gerade angesprochen: Die Bildung von Wissenskapital in einer modernen Volkswirtschaft ist zentral für Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. Das sollten wir viel stärker in den Fokus nehmen. Wir brauchen gute Bedingungen bei der Bildung, bei der Weiterbildung und bei der Fortbildung.

In Ihrem Gesetzentwurf finden sich schon ein paar kritische Punkte. Sie wollen die Umsatzsteuerfreiheit von Fort- und Weiterbildungsangeboten einschränken. Ich verstehe, dass die europäische Rechtsprechung das einfordert. Sie gehen aber eben weiter, als es das Europarecht erfordert. Deswegen finde ich, dass Sie die Bedeutung von Weiterbildungsangeboten in der heutigen Wirtschaft an der Stelle ein Stück weit ignorieren. Aufgrund der Transformationsphase, in der wir uns befinden – denken Sie an Algorithmen, künstliche Intelligenz und Automatisierung –, sollten wir noch viel stärker in die Köpfe unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer investieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Ein letzter Satz. Sie haben völlig recht, Frau Staatssekretärin: Es ist gut, dass wir die digitalen Produkte der Medienwirtschaft jetzt den analogen Pendants anpassen. Wir schaffen aber auch neue Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer. Deswegen möchte ich hier auf einen Aspekt eingehen. Wir und viele andere haben eine Petition für die Steuerermäßigung bei Hygieneprodukten für Frauen unterstützt.

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Machen wir ja!)

Ich finde, es ist ein schlechtes Signal, dieses berechtigte Anliegen, das bislang völlig ignoriert wird, Herr Kollege Steiniger, nicht weiter zu verfolgen. Es gibt einen dichten Ausnahmedschungel. Eine Steuerermäßigung für Tampons und Binden leistete zwar keinen Beitrag für die Lichtung dieses Dschungels, wäre aber von hohem symbolischem Wert und würde zeigen, dass eine geschlechtergerechte Anpassung im Steuerrecht möglich ist. Deswegen: Nehmen Sie diese Petition und die Menschen, die sie unterstützen, ernst und diesen Punkt im Gesetzentwurf auf. Wir schauen genau drauf.

Danke schön.