Rede von Lisa Paus Steuern

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06.05.2021

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss mal ein bisschen Luft rauslassen. Das Gesetz kann man machen, aber das Scholz’sche Gesetz hält einfach nicht, was es verspricht. Das erkennt man schon allein daran, dass es eins der kürzesten Gesetze ist, die wir aus dem Hause Scholz in dieser Legislaturperiode bekommen haben.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Das kann ja nicht die Maßgabe sein, oder? – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist aber kein Kriterium!)

Es ist auch keine Scholz-Initiative, sondern es setzt EU-Vereinbarungen um.

Außerdem – das klang jetzt auch schon deutlich an –: Das Gesetz wird für die wichtigsten Steueroasen überhaupt gar nicht gelten. Die Steueroasen nach diesem Gesetz sind maximal die, die auf der EU-Liste der Steueroasen stehen. Aber diese Liste ist eben leider extrem kurz. Wichtige Steueroasen wie zum Beispiel die Cayman-Inseln und andere stehen nicht drauf. Nur 2 Prozent der weltweiten Steuervermeidung entfallen auf die Länder dieser Liste. Da frage ich mal ganz klar: Wo war der Einsatz von Olaf Scholz auf der EU-Ebene für eine strengere Liste, meine Damen und Herren?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nichts war da, gar nichts! Im Gegenteil: Als es um die Türkei ging, hat er sich doch persönlich darum gekümmert, dass die Türkei nicht auf die Liste kommt.

Von daher würde ich mal sagen: Klares, pures Window Dressing im Wahlkampf mit diesem Gesetz. Allerdings habe ich dann die Pressemitteilung der Union gesehen und musste feststellen – Herr Güntzler hat es ein bisschen verschwiemelt heute formuliert –, dass es der Union eigentlich noch viel zu weit geht, dieses wirklich nicht sehr kraftvolle Gesetz.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Da haben Sie aber nicht zugehört!)

Da sieht man doch noch mal einen Unterschied zwischen der nicht kraftvollen SPD und der noch weniger kraftvollen Union, wenn es um das Thema Steuervermeidung geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei wäre konsequenter Einsatz so wichtig; denn Steuervermeidungsmodelle kosten den deutschen Staat Milliarden. Konkret – so schätzt es das renommierte ifo-Institut aus München jüngst in einer Studie – entgehen derzeit 5,7 Milliarden Euro dem deutschen Staat dadurch, dass Unternehmen Gewinne in Länder mit besonders niedrigen Unternehmensteuern verlagern. Ja, nicht alle Gewinne in Niedrigsteuerstaaten sind Steuervermeidung, aber ifo-Präsident und Co-Autor der Studie, Clemens Fuest, also nicht irgendjemand, beziffert den Anteil der Verschiebung von Unternehmensgewinnen rein zur Steuervermeidung auf fast 40 Prozent, meine Damen und Herren!

Dazu kommt dann noch, dass von 16 größeren Unternehmen wie Lufthansa, TUI etc., die in der Coronakrise staatliche Hilfen bekommen haben, allein 13 Verbindungen zu Schattenfinanzzentren haben und das in der Regel nutzen, um Steuern zu sparen. Zwar hat die Bundesregierung in dem Zusammenhang gesagt, sie wolle sicherstellen, dass keine Coronahilfen in Steuersümpfe abfließen, aber in der Praxis ist das kaum zu kontrollieren.

Fazit: Die Steuervermeidung kostet uns aktuell Milliarden. Zweites Fazit: Wir müssen und können aus Deutschland und Europa heraus etwas tun. Aber wir müssen es auch wollen. Und diese Regierung will offensichtlich nur ein ganz, ganz kleines bisschen.

Wir Grüne sagen: Wir brauchen eine europäische Blacklist, die existierende Steueroasen klar nach Kriterien benennt, keine politische Liste. Wir brauchen ein öffentliches Country-by-Country Reporting, um auch genau zu erkennen, wo die Gewinne in den jeweiligen Ländern sind. Wir brauchen eine Pflicht zur Anzeige nicht nur von internationalen, sondern auch von nationalen Steuergestaltungsmodellen. Vor allem brauchen wir ein speziell ausgestattetes Bundesfinanzamt, welches ausschließlich für Konzerne und Einkommensmillionäre zuständig ist, um dem auch tatsächlich nachgehen zu können.

All das ist im Herbst wählbar, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Paus. – Bevor ich dem Kollegen Binding das Wort erteile und damit die Spannung erhöhe, unterbreche ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 11.