Sascha Müller MdB
16.11.2023

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD will steuerliche Entlastungen versprechen und will über drei Anträge debattieren, von denen zwei schon in den Ausschüssen beraten und dort abgelehnt wurden und einer nun neu ins Verfahren kommt.

Ich beginne mal mit dem Antrag zum Solidaritätszuschlag. Der wurde im Ausschuss schon vor etlichen Monaten abgelehnt. Ich würde mal so sagen: Sie können meinetwegen die sofortige Abschaffung des Soli fordern, aber dann tun Sie bitte nicht so, als ob Sie sich damit für die Breite der Gesellschaft einsetzen würden oder gar für die fleißigen, hart arbeitenden Menschen, wie Sie es gerade wieder getan haben.

(Jörn König [AfD]: Ja, natürlich!)

Hebammen, Krankenpfleger, Paketzustellerinnen, die Kassierer im Supermarkt und viele, viele andere fleißige Menschen sorgen für das Funktionieren unserer Gesellschaft. All diese Menschen bezahlen in ihrer überwiegenden Mehrheit – und das selbstverständlich zu Recht – keinen Soli mehr. Und sie gehören mit ihrem Verdienst nicht zu den obersten 10 Prozent.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es kann nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden: Für 90 Prozent der Menschen ist der Soli bereits abgeschafft.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Der BFH hat ja erst kürzlich festgestellt, dass das grundsätzlich auch in Ordnung ist.

Natürlich wissen wir, dass der Grund für den Soli nicht ewig bestehen wird. Wir sollten uns daher schon langsam Gedanken über Alternativen machen, beispielsweise wie der Restsoli perspektivisch in den Einkommensteuertarif eingebaut werden kann.

Sie machen es sich jedenfalls mit Ihrer Forderung, den Soli sofort abzuschaffen, ohne eine Gegenfinanzierung vorzulegen, viel zu einfach. Vor allem ist dies eines eben nicht: Politik für die von Ihnen so genannten „kleinen Leute“; denn das ist allein für die obersten 10 Prozent in dieser Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum zweiten Antrag, nämlich dem zum Tourismus. Auch dieser wurde ja im Ausschuss für Tourismus in der letzten Sitzungswoche behandelt und abgelehnt.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Hört! Hört!)

Hier geht es ja insbesondere auch um Bürokratieabbau. Über die Mehrwertsteuer in der Gastro haben wir, wie gesagt, hier schon häufiger debattiert. Ich konzentriere mich jetzt darauf.

(Zuruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])

Bürokratie ist ein, wie wir wissen, gewaltiges Problem in Deutschland – über viele Jahre gewachsen.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Schafft doch mal Klarheit!)

Wir gehen das jetzt an. Nicht alles, was einmal eingeführt wurde, ist heute, 2023, noch notwendig. Es braucht Praxischecks und gesetzliche Erleichterungen.

Das Kabinett hat zum Beispiel beschlossen, die Hotelmeldepflicht für inländische Gäste komplett abzuschaffen; und das wird bald gesetzlich umgesetzt. Wir werden damit spürbar Bürokratie bei Übernachtungsbetrieben abbauen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Margenbesteuerung für Reiseanbieter in Drittstaaten hat das BMF bis Ende 2026 verlängert. Sie läuft also nicht Ende des Jahres aus, wie fälschlicherweise in dem Antrag behauptet wird.

Jetzt komme ich zu Ihrem neuesten Antrag. Sie wollen die Entfernungspauschale gleich um über 60 Prozent bzw., wenn man sie ab dem 21. Kilometer rechnet, um 30 Prozent anheben, aber offensichtlich überwiegend nur für Autofahrer/-innen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Auch für Autofahrer!)

Menschen ohne Auto müssen laut Ihrem Antrag ihre Kosten einzeln nachweisen und kommen nicht mehr in den Genuss einer pauschalen Regelung. Und Sie schreiben ausdrücklich: Fußgänger/-innen können nichts mehr absetzen. – Also Sie differenzieren, anders als derzeit, nach Verkehrsmitteln. Das kann man schon machen.

(Jörn König [AfD]: Ja!)

Was wir Grüne machen würden, wäre, die klimafreundliche Mobilität zu fördern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie machen das genaue Gegenteil, wie Sie es immer machen. Hauptsache, das komplette Gegenteil von dem, was die Grünen machen! So wird halt nur keine konsistente Politik daraus. Fangen Sie doch einmal an, selber Konzepte zu entwickeln, statt sich immer nur an uns zu orientieren und dann das Ganze umzudrehen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Tim Klüssendorf [SPD] und Maximilian Mordhorst [FDP])

Warum Sie überhaupt auf die Idee kommen, die Pauschale für Autokilometer so deutlich anzuheben, bleibt in Ihrem Antrag sehr vage. Sie stützen sich auf alte Forderungen von Verbänden. Eine Nachvollziehbarkeit, wie Sie auf diese Höhe kommen, ist aber nicht ersichtlich. Und wenn Sie sie so deutlich erhöhen, verstärken Sie natürlich vor allem die Umverteilungswirkung der Entfernungspauschale; denn durch die Progression im Einkommensteuertarif profitieren Menschen mit hohem Einkommen erheblich mehr als die mit geringem Einkommen.

(Kay Gottschalk [AfD]: Die zahlen auch mehr Steuern! – Beatrix von Storch [AfD]: Wer mehr Steuern zahlt, wird mehr Steuern sparen! Wer keine Steuern zahlt, kann keine Steuern sparen!)

Damit gilt auch hier, dass dies keine Politik für die sogenannten kleinen Leute ist, sondern für die hohen Einkommen. Ein roter Faden, der sich so ziemlich durch alle Anträge der AfD zieht. Und das nicht nur heute, wie eine Untersuchung des DIW erst kürzlich gezeigt hat: Die Politik der AfD fördert all ihrer Rhetorik zum Trotz eine massive Umverteilung von unten nach oben. – Ich finde, darauf sollten wir noch viel mehr Aufmerksamkeit legen.

Für heute bedanke ich mich erst einmal bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat Christian Görke für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)