Katharina Beck MdB
14.12.2023

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Herr Brehm, Liebe und Hingabe – mit diesen Werten kann man mich wirklich kriegen. Aber wenn man danach solche Fake News erzählt

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Fragen Sie mal in der Jugendhilfe!)

und sich dann noch als Christ hierhinstellt – auch ich bin Christin –, dann möchte ich Sie doch daran erinnern, dass es zumindest ein Gebot gibt, sich tendenziell an die Wahrheit zu halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Oh!)

Ich gehe nun auf die drei Vorlagen der AfD ein. Ich könnte es mir so leicht machen wie Felix Banaszak, der eine sehr kurze Rede gehalten hat,

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Die war ziemlich unwürdig, die Rede! Unparlamentarisch war das!)

und einfach mit drei Worten antworten: Nein, nein, nein. – Eigentlich hätte ich für eine solche knappe Antwort sehr große Sympathie, weil diese Vorlagen so schlecht sind. Aber weil es um Themen geht, die die Bürgerinnen und Bürger sehr beschäftigen, ist es wichtig, dass ich darauf ausführlicher eingehe und mit ein paar Unwahrheiten und Mythen aufräume.

Mein erstes Nein – das kann ich gar nicht oft genug betonen – gilt dem Antrag, die finanzielle Unterstützung der Ukraine zu schwächen. Das möchte die AfD.

(Kay Gottschalk [AfD]: Wir wollen Friedensverhandlungen, Frau Kollegin! Aber das wird sich in einem Jahr eh ändern, wenn sie Präsidentschaftswahlen hatten!)

Meine Kollegin Britta Haßelmann hat es gestern genau richtig gesagt: Es ist Putins brutaler und völkerrechtswidriger Krieg, und er kann ihn sofort beenden. – Wir alle, die Ampel und die anderen demokratische Fraktionen, stehen an der Seite der Ukraine und werden sie bis zum Ende ihres Kampfes um unsere freiheitlichen Werte unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mein zweites Nein gebe ich Ihnen für Ihren Vorschlag, den Einkommensteuertarif auf sogenannte Räder zu stellen und diesen automatisch jährlich anzupassen. Tatsächlich kann man das, was Sie insinuieren – die heimlichen Steuererhöhungen, die ohne Zustimmung des Bundestages erfolgen –, nicht unterstützen. Das geht einfach nicht; das ist eine Unterstellung. Außerdem hat der Steuertarif seit 2012 jedes Jahr eine Änderung erfahren, und der Bundestag hat einen Beschluss gefasst, auf dessen Grundlage die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression veröffentlicht.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Man muss es bloß umsetzen dann! – Kay Gottschalk [AfD]: Alle zwei Jahre!)

Natürlich ist es ein Thema, dass sich die Belastung bei der Einkommensteuer aufgrund der Inflation möglicherweise verändert. Aber das wird sowieso immer überprüft; ich glaube, das ist ganz wichtig zu wissen. Aber der Staat braucht auch Flexibilität.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Und Geld! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das ist immer teuer für die Bürger, wenn Sie Flexibilität haben!)

Wir als Koalition haben ein Inflationsausgleichsgesetz beschlossen, das sogar über einen gewissen Punkt hinausgegangen ist, weil wir schon einige Dinge vorausgedacht haben. Sonst hätten wir nicht die notwendige Flexibilität. Was haben wir gemacht? Mit dem Inflationsausgleichsgesetz haben wir die Bürgerinnen und Bürger schon im Jahr 2023 um 18 Milliarden Euro entlastet

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Und 70 Milliarden eingenommen!)

und werden sie im nächsten Jahr um 32 Milliarden Euro entlasten.

(Kay Gottschalk [AfD]: Sie sind dazu verpflichtet laut Verfassungsgerichtsurteil, Frau Kollegin!)

Lassen Sie sich nicht erzählen, dass die Ampel die Bürgerinnen und Bürger ärmer macht!

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das merken die doch in ihrer eigenen Tasche! Das Portemonnaie ist doch leer! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Natürlich! – Jörn König [AfD]: Das spüren sie doch!)

32 Milliarden Euro Entlastung! Für einen Single mit einem Bruttolohn von 40 000 Euro im Jahr bedeutet das 420 Euro Entlastung durch die Ampel im nächsten Jahr.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sozialversicherung? – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Und wie viel Mehrausgaben?)

Und wenn Kinder im Haus sind, kommen noch einmal 372 Euro pro Jahr und Kind on top.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sozialausgaben? Sozialversicherungserhöhung? Das stimmt ja einfach nicht!)

Denn wir haben im letzten Jahr auch die größte Kindergelderhöhung aller Zeiten beschlossen, auf 250 Euro einheitlich pro Kind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sensationell!)

Jetzt komme ich noch mal zur Haltung der AfD. So ein Tarif auf Rädern würde automatisch immer auch die Reichensteuer ändern. Dann müssten auch Reiche, die über 270 000 Euro verdienen, immer wieder weniger Steuern zahlen. Aber wir müssen doch gerade in diesen Zeiten gucken, dass wir flexibel bleiben und ob nicht irgendwann starke Schultern noch mehr tragen können.

Deswegen: Es ist verfassungsrechtlich geboten, dass der Grundfreibetrag – also der Betrag, bis zu dem man keine Steuern zahlen muss – immer wieder angepasst wird. Das ist richtig; davon profitieren alle Menschen, sowohl die mit niedrigen als auch die mit mittleren und auch die mit hohen Einkommen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Und die Sozialversicherungsabgaben? – Kay Gottschalk [AfD]: Das führt aber zu einer Stauchung! Das wissen Sie schon! Sie brauchen auch die Rechtsverschiebung!)

Aber man kann nicht alles immer automatisch anpassen.

Da sieht man wieder, dass die AfD eben keine Partei ist, die sich für niedrige Steuern vor allem für die Mittel- und Geringverdiener einsetzt.

(Kay Gottschalk [AfD]: Wir werden einen Antrag einbringen, Frau Kollegin, der deutlich über Ihren Antrag hinausgeht!)

– Ich lese das gerade ab; denn das steht so in Ihrem Grundsatzprogramm. – Nein, Sie sind im Endeffekt eine in weiten Teilen antidemokratische Reichenpartei, der soziale Gerechtigkeit einfach egal ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Nun zu meinem dritten Nein. Das gebe ich Ihnen wieder dafür, dass Sie die Reichen noch reicher und die Ärmeren noch ärmer machen wollen.

(Zuruf von der AfD: Sie wissen doch gar nicht, worüber Sie reden!)

Da geht es um die Erbschaftsteuer. Letzte Woche wollten Sie den Ländern 11 Milliarden Euro wegnehmen und haben so getan, als wäre das vernachlässigbar für die Länderhaushalte. Haben Sie sich eigentlich mal mit den Haushaltsthemen auseinandergesetzt? Unfassbar!

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie auch nicht! Überschreitungsbeschluss!)

Sie fordern nun eine Woche später die Erhöhung der Freibeträge, um die Mittelschicht vermeintlich zu entlasten. Es gibt sicherlich eine relativ hohe Inflation. Aber das Gesamtpaket muss stimmen; denn es gibt Umgehungsmöglichkeiten. Das hat auch eine ZDF-Doku gerade wieder sehr deutlich klargemacht. Sie tun so, als stellten Ihre Maßnahmen eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen dar. Aber das ist faktisch falsch; denn nur ein Drittel der Menschen in Deutschland erbt so viel, dass es möglicherweise Erbschaftsteuer zahlen muss. Omas Häuschen wird gar nicht angefasst.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Doch, in München schon! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: In Nürnberg auch! In Hamburg auch!)

1 Prozent der Menschen in Deutschland haben mehr Vermögen als die unteren 90 Prozent.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist wichtig, klarzumachen, dass nicht die breite Mitte der Gesellschaft betroffen ist, wenn von der Erbschaftsteuer die Rede ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Mir ist gerade vor Weihnachten sehr wichtig, sachlich mit Ihnen zu diskutieren. Aber eigentlich ist das absurd.

(Zurufe von der AfD)

Sie sind schon in drei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. In Sachsen zum Beispiel verstoßen Ihre Kollegen mit ihren Ansichten klar gegen die Garantie der Menschenwürde. Mit Ihnen wird man hier nicht würdig leben, sondern unwürdig. Ihre rechtsextremistischen Positionierungen sind verfassungsfeindlich. Das heißt, drei Ihrer Landesverbände sind nachgewiesenermaßen definitiv nicht die Freunde, sondern der Feind der Bundesrepublik Deutschland.

(Enrico Komning [AfD]: Wer sagt das? – Kay Gottschalk [AfD]: Das gibt es auch nur in Deutschland, so was!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Frau Beck, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brehm?

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein. – Ihr Bundesverband hat genug Anlass gegeben, ebenfalls ein Verdachtsfall beim Verfassungsschutz zu sein.

(Enrico Komning [AfD]: Oijoijoi! Das ist aber sehr verdächtig, alles!)

Sie werden beobachtet, und alle demokratischen Fraktionen werden sehr darauf achten, dass wir hier auch in Zukunft noch in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung leben können.

(Kay Gottschalk [AfD]: Ganz genau!)

Kommen wir zu den Unternehmensteuern. Liebe Union, Sie stellen sich hier immer dar als vermeintlich wirtschaftsfreundliche Partei. Letzte Woche haben Sie das Wachstumschancengesetz mit diversen Steuererleichterungen für Unternehmen blockiert.

(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Sie haben unsere Änderungsanträge abgeschrieben!)

Hier behaupten Sie immer, Sie wollten das vergrößern. Wenn Sie aber mal Staatsverantwortung tragen

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja, das wäre was!)

und mit uns die Wirtschaft in dieser brenzlichen Situation unterstützen könnten, machen Sie einen Rückzieher. Das sollten alle Unternehmerinnen und Unternehmer da draußen wissen: Diese Union ist im Moment leider nicht ihre Freundin, sondern das sind wir, die Ampel.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der AfD: Fünf, setzen!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Claudia Raffelhüschen für die FDP-Fraktion ist die nächste Rednerin.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)