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14.12.2023

Stefan Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer behauptet, etwas für Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen tun zu wollen, aber im gleichen Atemzug eine Vermögensabgabe verteufelt und die Freibeträge ausgerechnet bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer erhöhen will, der hat entweder keine Ahnung vom Thema oder er führt die Menschen ganz bewusst an der Nase herum. Der AfD unterstelle ich beides.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Um erst mal ein paar Fakten ins Spiel zu bringen: 1 Prozent der Deutschen besitzen mehr als ein Drittel des Vermögens in diesem Land.

(Jörn König [AfD]: Ja, die zahlen aber auch 30 Prozent der Steuern!)

Oder um es noch plastischer zu machen: Die fünf reichsten Familien in Deutschland besitzen mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der ganzen Gesellschaft. Wie kann das sein?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörn König [AfD]: Das ist eure Regierung!)

Kaum ein westliches Industrieland besteuert Vermögen so gering wie Deutschland. Das ist keine grüne Analyse, sondern die von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Noch schlimmer!)

Eine Vermögensteuer oder Vermögensabgabe würde also nicht die Bürger belasten, wie es die AfD propagiert. Ganz im Gegenteil: Mit einer Vermögensabgabe würde ein kleiner Teil der reichsten Menschen in diesem Land seinen Beitrag leisten, insbesondere in der aktuellen Krisenzeit. Das wäre zeitgemäß, gerecht und notwendig. Diese Debatte werden wir führen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Sie wollen die Wirtschaft weiter abwürgen!)

Auch zur Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer will ich ein paar Fakten in die Diskussion bringen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Da wird es Zeit!)

In Deutschland erben nur etwa 35 Prozent der Menschen. Von diesen 35 Prozent zahlen viele überhaupt keine Erbschaftsteuer.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Weil wir Freibeträge haben!)

Und warum? Es gibt zahlreiche Ausnahmen, hohe Freibeträge. Wenn ich von meinem Ehepartner oder meiner Ehepartnerin oder den Eltern ein Haus oder eine Wohnung erbe und darin wohne, dann zahle ich in der Regel überhaupt keine Erbschaftsteuer.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Sie sind Teil einer Koalition! Unfassbar! – Kay Gottschalk [AfD]: Was sind denn 500 000 Euro in München oder Frankfurt am Main?)

Wenn ich die Immobilie vermiete, zahle ich für mindestens die ersten 400 000 oder 500 000 Euro keine Steuern.

(Kay Gottschalk [AfD]: Das ist versteuertes Geld! Das ist geronnene Arbeit!)

– Ja, Herr Gottschalk, jetzt passen Sie doch einfach mal auf! Sie können hier noch etwas lernen. – Bei Schenkungen kann der Freibetrag sogar noch alle zehn Jahre neu genutzt werden.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Erbschaft in Deutschland liegt derzeit zwischen 79 000 und 85 000 Euro, also weit unter den Freibeträgen.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Und?)

Das heißt, die wenigsten Erben hierzulande zahlen Erbschaftsteuer. Und wenn doch, dann gibt es zusätzlich zu Ausnahmen und Freibeträgen auch noch großzügige Stundungsregeln. Ich bin fest davon überzeugt: Die Freibeträge sind mehr als fair. Die Erbschaftsteuer leistet einen wichtigen Beitrag – Herr Schrodi hat es schon angesprochen – für die Chancengerechtigkeit in diesem Land, für die Finanzierung des Gemeinwohls und für unser demokratisches Miteinander.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Maximilian Mordhorst [FDP]: Peinlich!)

Bei der Erbschaftsteuer gibt es ganz andere Baustellen, an denen wir arbeiten müssen, zum Beispiel die Steuerschlupflöcher. Die müssen wir endlich stopfen, damit sich die Menschen mit Millionenerbe nicht einfach komplett aus der Verantwortung stehlen können, und das Erbrecht so anpassen, dass auch neue Familienformen endlich berücksichtigt werden. Auch das ist eine Aufgabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer möchte, dass sich die Durchschnittsverdienenden hier eine Immobilie leisten können, der muss bei ganz anderen Stellschrauben ansetzen, zum Beispiel bei der Arbeitnehmersparzulage. Wir in der Ampelkoalition haben die Einkommensgrenze zum 1. Januar erhöht. Wir unterstützen dadurch deutlich mehr Menschen beim Vermögensaufbau.

(Zuruf von der FDP: Geht doch!)

Wir müssen endlich ran an Spekulationen mit Bauland, an Geldwäsche auf dem Wohnungsmarkt. All das müssen wir beenden. Davon profitieren Menschen mit geringen Einkommen, sicher aber nicht von Steuergeschenken für satte Erbschaften und für Wohlhabende. Wir lehnen die Anträge und Vorschläge der AfD selbstverständlich ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort der Kollege Fritz Güntzler.

(Beifall bei der CDU/CSU)