Rede von Canan Bayram Strafgesetzbuch – Cyberstalking
Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Frau Lambrecht, hier haben Sie endlich einmal das gemacht, was wir von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon seit Jahren fordern: evidenzbasierte Kriminalpolitik. Herzlichen Glückwunsch dazu! Und warum nicht immer so? Sie haben das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes vor Nachstellungen aus dem Jahr 2017 nach seinem Inkrafttreten wissenschaftlich auf seine Wirksamkeit evaluieren lassen und aufgrund dieser Evaluierung Nachbesserungen vorgelegt.
Im Gesetzentwurf erkennen Sie selbst an, dass Betroffene von Cyberstalking regelmäßig über sogenannte Stalkerware ausgespäht werden. Das hören wir auch immer wieder von Beratungsstellen und Strafverfolgungsbehörden. Diese Programme erlauben es den Tätern, auf die Geräte der Betroffenen zuzugreifen. Sie können deren Chatverläufe und ihre E-Mails mitlesen, ihre Social-Media-Konten, ihre Fotos und ihre Videos einsehen und sogar in Echtzeit ihren Standort abrufen.
Für die Betroffenen sind diese Programme nicht sichtbar; sie operieren im sogenannten „Stealth-Modus“, können also ohne Zustimmung der Benutzer/‑innen aufgespielt werden und laufen ohne Benachrichtigung oder äußerliche Sichtbarkeit auf dem Gerät im Hintergrund. Das heißt, dass die Betroffenen nicht wissen, dass sie teilweise monate- oder jahrelang dauerhaft ausgespäht werden: jede Kommunikation, jede Transaktion, jede Bewegung.
Das Problem ist immens. Stalkerware ist auf etwa 1 547 mobilen Geräten in Deutschland installiert – ohne Kenntnis der Nutzer/‑innen. Damit ist Deutschland europaweit am stärksten betroffen und liegt weltweit sogar auf Platz 6. Dieses Ausmaß ist besorgniserregend. Deswegen ist natürlich zu begrüßen, dass die Bundesregierung das Ausspähen des Opfers mit technischen Mitteln unter Strafe stellen will.
Das Problem bleibt jedoch der Nachweis. Selbst wenn Betroffene einen Verdacht hegen, ist es ihnen in der Regel nicht möglich, die Stalkerware auf dem Gerät selbst zu finden oder nachzuweisen, und damit bleibt auch eine Anzeige des Täters wegen Stalkings unmöglich. Aus diesem Grund wäre es angezeigt, schon den Vertrieb dieser Programme zu verbieten, um die Betroffenen zu schützen; denn dies ist derzeit noch nicht der Fall. Stalkerware darf in Deutschland legal gekauft und verkauft werden. Das müssen wir ändern.
Aber daran wollen Sie von der CDU und der SPD nichts ändern, und das ist der Fehler. Auf meine mündliche Frage antworteten Sie, Herr Lange, „über das Strafrecht hinausgehende Regelungen zum Vertrieb und Einsatz entsprechender Software sind derzeit nicht geplant.“ – Wie bitte? Das kann doch nicht Ihr ernst sein! So wird das nichts mit dem Schutz vor Cyberstalking. Darüber müssen wir dringend in der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss reden; denn klar ist, dass wir den Schutz vor Cyberstalking effektiv gewährleisten müssen.