Rede von Swantje Henrike Michaelsen Straßenverkehr

Swantje Michaelsen
20.10.2023

Swantje Henrike Michaelsen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Reform ist für mich etwas Besonderes; denn das Straßenverkehrsgesetz war einer der zentralen Gründe, die mich motiviert haben, für den Bundestag zu kandidieren. Als Kommunalpolitikerin habe ich allzu oft erleben müssen, wie sehr das aktuelle Straßenverkehrsrecht die Kommunen ausbremst: Überall gibt es Ratsbeschlüsse für Zebrastreifen, für Tempo 30, für Radwege, die dann von den Verwaltungen nicht umgesetzt werden können, weil das Straßenverkehrsgesetz sie ausbremst.

Das Straßenverkehrsgesetz ist die Grundlage für die Gestaltung unserer Straßen und öffentlichen Räume, und es hat bis heute nur ein Ziel: die Sicherheit und Leichtigkeit des Autoverkehrs.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Nein, des Verkehrs! Sie haben das Gesetz nicht richtig gelesen!)

Die Kommunen können diese nur einschränken, wenn sie eine Gefahrenlage nachweisen, was bedeutet, dass erst Menschen zu Schaden kommen müssen.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Diese Rechtslage nehmen wir nicht länger hin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sicherheit im Verkehr!)

Wir verankern heute die neuen Ziele Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung als gleichrangig im Gesetz und leiten damit einen Paradigmenwechsel ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und damit, Herr Müller, nehmen wir die Kommunen endlich ernst und setzen die Herausforderungen gesetzlich um, die dort längst Realität sind.

Ja, es sind Themen offengeblieben: Digitale Parkraumüberwachung, soziale Kriterien fürs Anwohnerparken und auch die weitere Stärkung der Verkehrssicherheit haben wir in einer Entschließung festgehalten. Und die verstehe ich als Auftrag, weiter daran zu arbeiten.

Ich freue mich, dass es inzwischen parteienübergreifend, auch mit der Union, einen großen Konsens dafür gibt, dass das Präventionsprinzip oder die Vision Zero im Gesetz oder jedenfalls in der gesetzlichen Grundlage verankert werden müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Carina Konrad [FDP])

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!

Die konkreten Dinge, die in aller Munde sind, stehen nicht in diesem Gesetz, sondern sie stehen in der Straßenverkehrs-Ordnung: Wo kann Tempo 30 angeordnet werden? Wie entsteht ein Radweg? Über sie entscheidet nicht der Bundestag, sondern der Bundesrat.

(Zuruf des Abg. Dr. Dirk Spaniel [AfD])

Aber der Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes eröffnet heute einen neuen Möglichkeitsraum, bei dem nicht mehr alles der Sicherheit und Leichtigkeit des Autoverkehrs untergeordnet werden muss. Den nutzt der neue StVO-Entwurf zum Teil: Radwege, Fußwege und Busspuren können nach ihm leichter angeordnet werden.

Bei Tempo 30 allerdings bleibt der StVO-Entwurf hinter den Erwartungen zurück. Das wird die Kommunen, die dafür kämpfen, selbst entscheiden zu können, nicht zufriedenstellen. Aber wichtig ist: Die Veränderungen können jetzt auf dem Verordnungsweg angegangen werden; das Gesetz steht ihnen nicht länger im Weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mit dieser Gesetzesreform begegnen wir endlich der Realität in den Kommunen. Es ist eine Reform für die Kommunen. Ja, eigentlich ist es die Reform der Kommunen; denn sie haben viele Jahre für eine gesetzliche Grundlage gekämpft, mit der sie ihre Herausforderungen endlich meistern können. Jetzt können sie das tun, was vor Ort gefordert wird: Sie können ihre Verkehrsplanung an Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und städtebaulicher Entwicklung ausrichten. Sie müssen nicht länger auf Unfälle warten, sondern sie können vorsorglich die Gesundheit der Menschen schützen. Sie können ein Quartier städtebaulich entwickeln und dafür einen Radweg anordnen, und sie können klimafreundliche Mobilität stärken und dafür dem Bus eine eigene Spur geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Lenders [FDP])

Die Kommunen wissen selbst am besten, was vor Ort gebraucht wird, und heute bekommen sie endlich den gesetzlichen Rahmen für echte Entscheidungsspielräume.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Stefan Seidler [fraktionslos])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Bernd Riexinger für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Florian Müller [CDU/CSU]: Noch eine Abschiedsrede!)