Rede von Dr. Ingrid Nestle Strom- und Gaspreise

Foto von Ingrid Nestle MdB
13.10.2022

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die hohen Energiepreise sind bitter für viele Menschen in diesem Land und für viele

Unternehmen. Ich bin sicher, dass es keinen Abgeordneten und keine Abgeordnete in diesem Haus gibt, die das nicht weiß. Mir persönlich hat das schon mehrmals

nachts den Schlaf geraubt.

Ich glaube, wir können die Debatte heute und hier auf das Wesentliche konzentrieren, wenn wir das einfach erst mal festhalten, wenn wir nicht

versuchen, uns gegenseitig klarzumachen, wie schlimm die Situation ist, und dabei hoffen, dass es so rüberkäme, als hätten die anderen das nicht gemerkt. Wir

alle haben es gemerkt, und deswegen sollten wir die Debattenzeit heute dafür nutzen, darüber zu reden, wie wir den Menschen und Unternehmen am besten helfen

können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zum einen ist natürlich Unterstützung wichtig, direkte Unterstützung. Wir haben im mittlerweile vierten Paket viel Geld mobilisiert, viel Kraft

mobilisiert, um Menschen, um Unternehmen in der Not zu helfen, um sie zu unterstützen. Das ist gut so, das brauchen wir. Wir Grünen haben uns immer dafür

eingesetzt, dass diese Gelder möglichst zielgenau bei denjenigen Menschen und Unternehmen ankommen, die sie am dringendsten brauchen. Aber es ist auch klar: Die

Gelder müssen schnell und unbürokratisch fließen. Das bedeutet eben auch, dass sie nicht ganz so zielgenau sein können, wie wenn man sehr komplizierte

Prüfungssysteme aufsetzt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben den klaren Willen und die Kraft bewiesen, Menschen und Unternehmen zu unterstützen. Das andere, was wir aber brauchen, was auf der Hand

liegt und was manchmal zu kurz kommt, ist: Wir müssen – und das ist doch die einzige Lösung, die das Problem wirklich an der Wurzel packt – von diesen

unbezahlbaren fossilen Energieträgern unabhängiger werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb bin ich sehr stolz auf diese Ampelregierung, die es geschafft hat, das größte Erneuerbare-Energien-Ausbauprogramm aller Zeiten aufzulegen und

in der letzten Sitzungswoche mit der Änderung des EnSiG schon wieder nachgelegt hat. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir mit Minister Habeck einen Minister

haben, der wirklich handelt, der sich nicht wegduckt, wenn es schwierig wird,

(Marc Bernhard [AfD]: Wo denn? Wo handelt er denn? Acht Monate geschlafen! So ist es doch!)

der die Beschleunigung von Genehmigungen hinbekommen hat wie keiner vor ihm und auch eine Energieeinsparverordnung auf den Tisch gelegt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Marc Bernhard [AfD]: Was hat er denn gemacht?)

– Stellen Sie gerne eine Zwischenfrage; dann erzähle ich Ihnen ganz viel, was Minister Habeck gemacht hat. Aber so reicht die Zeit nicht.

Ja, wir brauchen andere Energiequellen. Aber es gibt noch etwas, was wir machen müssen, um unabhängiger von den derzeit unbezahlbaren fossilen

Energien zu werden, die nur deshalb unbezahlbar sind, weil wir ein bisschen zu viel verbrauchen. Es gibt ja keinen Grund dafür, dass Gas aus Norwegen so teuer

sein muss, wie es derzeit ist, außer dass wir etwas mehr verbrauchen, als wir haben, etwas mehr verbrauchen, als wir beziehen können.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ich glaube, Sie haben die Größe des Problems nicht verstanden!)

Was wir also auch machen müssen, ist, den Verbrauch zu reduzieren und Energie einzusparen, in der Industrie genauso wie in den Haushalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Kruse [FDP])

Da, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, die Sie heute wieder die Themen auf den Tisch gelegt haben, hat mich Ihr Verhalten in den

letzten Wochen schon sehr verwundert. Ich habe Sie mehrmals persönlich darauf hingewiesen, dass sich unsere Einsparappelle, unser Aufruf zur Solidarität, dazu,

weniger von dem knappen Gut Erdgas zu verbrauchen, eben gerade nicht an die Leute richten, die kein Geld mehr haben, um das zu bezahlen, sondern an die gesamte

Gesellschaft, in erster Linie an die Reichen, die am meisten Energie verbrauchen und die sparen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wäre ich heute nicht die erste Rednerin, ich hätte Wetten abgeschlossen, wann der Erste das Wort „Waschlappen“ auf den Tisch bringt,

(Marc Bernhard [AfD]: Das habt doch ihr verwendet und keiner von uns!)

ein Wort, das einmal erwähnt worden ist, völlig aus dem Kontext gerissen und hunderttausendmal wiederverwendet worden ist,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: War das so gemeint oder nicht?)

um all diejenigen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten und vor großer Not bewahren wollen, die unserer Gesellschaft sagen wollen, dass wir

gemeinsam mit diesem knappen Gut Erdgas seriös und sparsam umgehen müssen, zu diskreditieren und lächerlich zu machen. Ich habe Sie darauf hingewiesen, und Sie

haben es immer wieder gemacht. Das dient nicht dem Schutz der Menschen mit wenig Geld. Genau dadurch treiben Sie das Problem in die Höhe. Sie machen diejenigen

lächerlich, die etwas für die Gesellschaft tun wollen und die die Energiepreise nach unten bringen wollen – für den billigen politischen Punkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, Sie wollen den billigen politischen Punkt in den Social Media. Sie wollen viele Klicks und viele Likes. Aber damit verschärfen Sie das Problem;

damit heizen Sie das Problem an.

Wenn die reichsten 10 Prozent in Deutschland einfach nur so viel Energie verbrauchen würden wie ein Durchschnittsbürger, dann hätten wir schon

26 Prozent eingespart.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ja, da haben Sie recht! Dann mal los!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie sagen, ich habe recht. Dann freue ich mich, dass Sie uns unterstützen werden.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin, ich habe auch etwas gesagt; ich habe auch recht.

(Heiterkeit des Abg. Michael Kruse [FDP])

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme zum Schluss.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bei der ersten Rednerin muss man immer besonders aufpassen; denn sonst muss man bei den nächsten Rednern entsprechend Zeit abziehen.

Die Kollegin Maria-Lena Weiss hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)