Rede von Michael Kellner Strukturwandel in der Lausitz

Michael Kellner
30.03.2023

Michael Kellner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Knut Abraham, es stimmt: Die Lausitz ist reich an Sagen. Auch ich kann jetzt Otfried Preußlers „Krabat“ als Literatur empfehlen; aber wir sollten hier im Bundestag keine Märchen und Sagen erzählen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nina Warken [CDU/CSU]: Das ist aber die Wahrheit! Das war die Wahrheit! – Sepp Müller [CDU/CSU]: 17 Prozent von Schwedt!)

Es ist doch so, dass die Lausitz eine Energie- und Industrieregion ist, und wir müssen heute die Weichen dafür stellen, dass sie es bleibt, und dies gemeinsam mit den Menschen, die da übrigens viel, viel weiter sind. Wir sehen heute das Entstehen von Klimaindustrien in der Lausitz. Wir sehen 1 200 neue Arbeitsplätze im Bahnwerk in Cottbus. Die Stadt wirbt selber als „Boomtown Cottbus“ für sich.

Wir haben gerade vor einigen Wochen das Referenzkraftwerk in Schwarze Pumpe auf den Weg gebracht, mit 13 Millionen Euro unterstützt. Dort geht es darum, dass 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche aus Sonne und Wind mit grünem Wasserstoff grundlastfähig grüner Strom und grüne Wärme erzeugt werden. Das ist doch die Zukunft für die Lausitz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich bin dem Kollegen Michael Theurer aus dem Verkehrsministerium sehr dankbar, dass wir gemeinsam dafür gekämpft haben, die Stärke der Industrieregion Lausitz, nämlich auch die Bahnindustrie, die seit vielen Jahrzehnten dort ansässig ist, zu erhalten. Dazu haben wir gemeinsam mit Alstom und mit der IG Metall viele Gespräche geführt, und ich bin hoffnungsfroh, dass wir die Arbeitsplätze in Görlitz, in Bautzen, in Hennigsdorf erhalten können, weil das die Zukunft ist. Das sind zukunftsfähige Industriearbeitsplätze für die Lausitz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Gerald Ullrich [FDP])

Dagegen steht ein Ministerpräsident in Sachsen, der den früheren Kohleausstieg als „Tal des Todes“ oder als Gefährdung des Wohlstandes beschreibt.

(Sepp Müller [CDU/CSU]: Recht hat er!)

Er schürt Ängste und ignoriert einfach Realitäten.

Lassen Sie uns doch die Realitäten in den Blick nehmen. Diese Woche hat EnBW angekündigt, in Lippendorf – das ist bei Leipzig, in Sachsen – 2028 aus der Kohle auszusteigen, sieben Jahre früher, als es der Kohlekompromiss sagt. Woran liegt das? Das liegt an den ökonomischen Realitäten.

(Karsten Hilse [AfD]: Das liegt daran, dass man gebaut hat!)

Das liegt am CO2-Preis, das liegt an den sinkenden Gaspreisen. Wir haben jetzt die Situation, dass wieder Kohlekraftwerke preissetzend am Strommarkt sind, weil sie nach dem, was wir immer so schön als Merit Order bezeichnen, die Ersten sind, die wieder aus dem Markt herausgehen, und wir sehen das an dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Das zu ignorieren, ist Wohlstandssabotage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gerald Ullrich [FDP])

Wir stehen doch vor der Frage: Gibt es einen ungeregelten Zusammenbruch der Kohle, oder steigen wir jetzt in das Neue ein? Es ist gut, dass der Ministerpräsident in Brandenburg sich offen für einen früheren Ausstieg gezeigt hat. Klar ist doch dabei, dass die Versorgungssicherheit unsere oberste Verpflichtung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Neue wird es geben – Wasserstoff, grüne Gaskraftwerke –, und für die Menschen in der Lausitz möchte ich, dass in der Lausitz die zukunftsfähigen Jobs entstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sehen doch, wenn wir auf die Lausitz schauen, die Rückkehr der Klimaindustrie, das Comeback der Solarindustrie. Wir sehen, dass im nächsten Jahr Elektrolyseure hier in Berlin in der Massenproduktion gebaut werden, von denen ich möchte, dass sie auch in der Lausitz zum Einsatz kommen.

Wir entscheiden gerade über ein Wasserstoff-Backbone-Netz. Da ist eine Idee, dass wir eine Leitung von Lubmin bis zur tschechischen Grenze nehmen, damit wir mit grünem Wasserstoff, den wir in der Uckermark erzeugen, in Eisenhüttenstadt grünen Stahl herstellen und diesen grünen Stahl dann in Görlitz nutzen,

(Zuruf von der AfD: Das sind die Märchen!)

um daraus Straßenbahnen und Züge zu bauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist gelebter Klimaschutz und gelebter Wohlstandsschutz.

Und ja, die größte Herausforderung in der Lausitz ist die Frage der Fachkräfte. Ich war erst vor Kurzem bei der Firma PEWO. Sie baut Wärmepumpen. Deren größte Herausforderung ist, Arbeitskräfte zu finden. Wissen Sie, wir erinnern uns alle noch an die 90er-Jahre, als in der Generation meiner Eltern alle von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Heute haben wir alle Chancen. Wenn ich mit Azubis rede, dann wollen sie doch Sicherheit. Sie wollen doch in ihrer Region bleiben, und dafür brauchen sie zukunftsfähige Jobs. Die warten doch nicht bis 2038; dann sind die weg. Deswegen sollten wir keine Luftschlösser über alte Kühltürme bauen, sondern entschieden ins Neue gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Mitteln für den Strukturwandel: Wir haben im letzten Jahr die Transparenz bei diesen Mitteln verbessert. Wir haben sie flexibilisiert. Wir haben die STARK-Mittel, die unter anderem für die Zivilgesellschaft wichtig sind, gestärkt. Lassen Sie mich klar sagen: Wenn wir früher aus der Kohle herausgehen, ist es auch richtig und logisch, dass dann die Mittel, die bis 2038 vorgesehen sind, vorgezogen und flexibilisiert werden können, damit sie genutzt werden können.

Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, dieses Jahr die Weichen zu stellen. In diesem Jahr entscheiden wir über alle Grundlagen für die Produktion von Wasserstoff. Wir schreiben neue Kraftwerke „Wasserstoff-ready“ aus. Wir beginnen mit dem Hochlauf der Elektrolyseure. Das schafft Zukunft in der Lausitz. Lassen Sie uns dafür gemeinsam streiten!

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Enrico Komning.

(Beifall bei der AfD)