Rede von Katja Keul Technische Unterstützung von Rüstungsproduktion

27.09.2018

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Willsch, wenn Sie gestern so gut zugehört hätten, wie Sie behauptet haben, wäre Ihnen aufgefallen, dass alle Experten, auch die Ihren, sich in einem Punkt einig waren, nämlich dass dies eine sicherheitspolitische Debatte ist. Wenn es danach ginge, würden Sie hier zu diesem Thema gar nicht reden, sondern Ihre Kollegen aus dem Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, die ich hier heute leider gar nicht sehe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Weil wir zuständig sind!)

Aber zum Thema. Man muss Rheinmetall wirklich dankbar sein, dankbar, weil sie es mit ihrer skrupellosen Exportstrategie so übertrieben haben, dass wir alle quasi mit der Brechstange auf eine Lücke im deutschen Exportkontrollrecht aufmerksam geworden sind, die uns vorher so gar nicht bewusst war. Inzwischen kennen wir die Wege, auf denen deutsches Recht umgangen wird: Sardinien, Türkei, Südafrika, Saudi-Arabien. So berichtete uns die ARD über einen Vorfall im Jemen, bei dem ein ganzes Dorf bombardiert und viele Zivilisten, ganze Familien ums Leben gekommen sind. In den Trümmern fanden Mitarbeiter einer jemenitischen Menschenrechtsorganisation Bombenteile mit dem Code des Herstellers: RWM Italia, Rheinmetall Weapon Munition. Die Bundesregierung fühlt sich nicht zuständig, weil diese hundertprozentige Tochter von Rheinmetall die Munition ja in Sardinien produziert.

Ein anderes Beispiel sind die Pläne von Rheinmetall, sich am Bau einer Panzerfabrik in der Türkei zu beteiligen, damit der arme Erdogan nicht immer von Genehmigungen der Bundesregierung abhängig ist, wenn er moderne Panzer braucht, und diese ohne nervige Auflagen auch für völkerrechtswidrige Angriffskriege und Menschenrechtsverletzungen einsetzen kann. Hier führt der Weg über ein Joint Venture, diesmal mit der türkischen Fahrzeugfabrik BMC, deren Eigentümer Mitglied des Parteivorstandes der AKP ist und über gute Beziehungen zu Erdogan verfügt. Diese Eigenproduktion von Panzern durch die Türkei mit finanzieller Unterstützung aus Katar und die geplanten Weiterexporte in die Region des Nahen und Mittleren Ostens bedrohen nicht nur Menschenrechte in Krisenregionen, sondern gefährden auch unsere eigenen deutschen Sicherheitsinteressen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Diesen Kontrollverlust beim Export sicherheitsrelevanter Technologie kann und darf die Bundesregierung nicht einfach hinnehmen. Statt gleich zu Beginn klar Stellung zu nehmen, spielt die Bundesregierung bis heute Vogel Strauß nach dem Motto „Kopf in den Sand, geht mich nichts an, ich bin ja nicht zuständig“. Sie sind aber zuständig für die Sicherheitsinteressen dieses Landes. Die Standardantwort, die Sie uns an dieser Stelle immer geben: „Wir genehmigen im Einzelfall nach Recht und Gesetz“ usw., reicht eben nicht aus, wenn es kein entsprechendes Gesetz gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Zauberwort heißt „technische Unterstützung“ und umfasst jeden nicht verkörperten Technologietransfer. Wenn also deutsche Ingenieure ins Ausland entsandt werden und dort an der Entwicklung von Kriegswaffen ohne irgendwelche Blaupausen im Gepäck mitwirken, dann bedarf das keiner deutschen Genehmigung, ganz anders übrigens als in Frankreich oder den USA, die da überhaupt keinen Spaß verstehen, wenn ihre eigenen Staatsbürger wehrtechnisches Know-how verkaufen. Nur bei uns ist diese technische Unterstützung genehmigungsfrei, selbst bei der Produktion von Kriegswaffen.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

Das verstehen einige Hersteller wie Rheinmetall als Einladung, ihre Kriegsgerätschaften im Ausland fertigen zu lassen und ihr Personal dorthin zu versenden, wenn sie wissen, dass sie für die unmittelbare Lieferung aus Deutschland keine Genehmigung erhalten würden. Kurz gesagt: „made by Germans“ statt „made in Germany“. Da moralische Appelle an Rheinmetall ganz offensichtlich sinnlos sind, müssen wir eben gesetzlich nachsteuern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Unser Antrag zeigt, wie diese Lücke geschlossen werden kann. In § 49 der Außenwirtschaftsverordnung ist technische Unterstützung bereits für andere Fälle geregelt. Hier müsste nur ein Halbsatz ergänzt werden, der die Rüstungsproduktion in Drittländern betrifft. Das hat uns, Herr Willsch, auch gestern bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuss der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Herr Dr. Wallraff, bestätigt. Er ist ja dann offensichtlich aus Ihrer Sicht auch einer der vielen Ideologen. Ich hoffe, dass Sie ihm auch zugehört haben. Scheinbar nicht.

Wir könnten darüber hinaus auch von den Amerikanern lernen und die Mitwirkung eigener Staatsangehöriger bei Exporten von Kriegswaffen durch ausländische Tochterunternehmen unter Strafe stellen. Wir könnten auch Konzerngesellschaften in die gesetzliche Pflicht nehmen, Rüstungsexporte ihrer Tochtergesellschaften zu unterbinden. Seit zwei Jahren kennen wir diese Regelungslücke. Bis heute haben wir nicht das geringste Argument von der Bundesregierung gehört, warum sie nicht im eigenen Interesse, im Sicherheitsinteresse dieses Landes diese Regelungslücke schließt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Sie müssen jetzt trotzdem zum Ende kommen.

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich höre immer, Sie wollen mehr Verantwortung übernehmen. Dann tun Sie das endlich. Sich an dieser Stelle wegzuducken, ist schlicht verantwortungslos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)