Rede von Beate Müller-Gemmeke Transformation in der Arbeitswelt

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31.01.2020

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Die heutige Debatte zur Transformation der Arbeitswelt ist wichtig. Ich bedanke mich erst mal bei der Fraktion Die Linke, dass sie das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Uns treibt der Strukturwandel auch um, vor allem auch die Veränderung durch die Digitalisierung. Deshalb haben wir einen eigenen Antrag dazu gestellt. Dieser ist auf die Mitbestimmung fokussiert; denn wir brauchen starke Betriebsräte im digitalen Wandel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich beginne aber erst einmal mit der ökologischen Transformation; denn die ist dringend notwendig. Wir müssen die Klimaziele erreichen. Es geht immerhin um unsere Lebensgrundlagen. Die Wirtschaft muss klimaneutral werden, und das muss schnell gehen. Es muss eine sozialökologische Transformation sein. Deshalb verbinden wir Klimapolitik mit einer Politik für mehr soziale Gerechtigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein Beispiel: Wenn sich die Arbeitsplätze verändern, dann müssen natürlich Weiterbildung und Qualifizierung ganz oben auf der Agenda stehen. Deshalb fordern auch wir ein neues Qualifizierungskurzarbeitergeld. Das wollen wir konsequent mit der Qualifizierung der Beschäftigten verbinden und eng an die Sozialpartnerschaft koppeln, und zwar durch tarifliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen. Denn die ökologische Transformation muss natürlich unbedingt mit Chancen für die Beschäftigten verbunden werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Andere Forderungen aus dem Antrag der Fraktion Die Linke wurden hier schon häufiger diskutiert. Wir sind uns einig, dass die Arbeitsplätze heute, aber natürlich auch in einer klimaneutralen Wirtschaft gut sein müssen, also mitbestimmt und tarifgebunden. Deshalb muss die Tarifbindung gestärkt werden. In der Leiharbeit soll es gleichen Lohn für gleiche Arbeit geben, und zwar ab dem ersten Tag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch wir wollen die sachgrundlose Befristung abschaffen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Denn die Transformation ist nur dann sozialökologisch, wenn sie auch mit neuen Perspektiven für gute Arbeit verbunden wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Alle anderen Aspekte werden wir im Ausschuss diskutieren.

Damit komme ich jetzt zu unserem eigenen Antrag. Die Digitalisierung verändert nicht nur die Prozesse in den Unternehmen, sondern auch die Tätigkeiten und Anforderungen. Sie hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation. Wenn sich die Beschäftigten an diesem digitalen Wandel aktiv beteiligen können, wenn sie ihr Wissen einbringen können, werden Risiken minimiert und Chancen besser genutzt. Die Mitbestimmung orientiert sich aber nach wie vor an einer analogen Arbeitswelt und muss deshalb an die digitale Arbeitswelt angepasst werden. Denn der digitale Wandel gelingt zusammen mit den Beschäftigten besser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drei Punkte möchte ich kurz ansprechen:

Erstens. Durch die Digitalisierung werden neue Arbeitsplätze entstehen; aber vor allem werden sich die Tätigkeiten verändern. Damit werden auch hier Qualifizierung und Weiterbildung enorm wichtig. Deshalb fordern wir ein starkes Mitbestimmungsrecht bei der Weiterbildung und bei der qualitativen Personalentwicklung. Es muss vorausschauend und gut überlegt sein, wie sich die Anforderungen durch den digitalen Wandel im Unternehmen verändern. Notwendig ist ein Plan, der zeigt, wer und in welcher Form qualifiziert werden muss. Hier müssen die Interessenvertretungen aktiv eingebunden werden. Denn unser Anspruch ist, im digitalen Wandel alle mitzunehmen und niemanden zu vergessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Durch die Digitalisierung ist Arbeit häufig nicht mehr an Ort und Zeit gebunden, und so entstehen neue Freiheiten, beispielsweise um Arbeit und Familie besser zu vereinbaren. Aber gleichzeitig kann Arbeit auch mehr entgrenzen. Die psychischen Belastungen können zunehmen. Es geht also um die Menge der Arbeit und um die Themen: Erreichbarkeit, Homeoffice, mobiles Arbeiten. Und auch dafür muss die Mitbestimmung gestärkt werden. Denn von der Digitalisierung sollen alle profitieren: sowohl die Wirtschaft als auch die Beschäftigten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens: Persönlichkeitsrechte und Datenschutz. Durch den Einsatz von Software und künstlicher Intelligenz kann Arbeit erleichtert werden. Aber optimal vernetzte Prozesse können auch zu optimal überwachten Beschäftigten führen. Auch wenn es um neue Formen der Interaktion von Mensch und Maschine, wenn es um Verhaltens- und Leistungskontrolle geht, brauchen wir starke Personal- und Betriebsräte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In unserem Antrag geht es noch um andere Aspekte: um eine zeitgemäße Ausstattung, um Weiter- und Fortbildung, um die Unterstützung von Sachverständigen und um die Frage, wie die Mitbestimmung ausgeweitet werden kann, beispielsweise auf arbeitnehmerähnliche Personen und auch auf Clickworker auf Plattformen. Das werden wir alles im Ausschuss ausführlich diskutieren.

Diese Diskussion passt auch in die Zeit; denn nächste Woche feiern wir ja 100 Jahre Betriebsrätegesetz. Seither können die Beschäftigten ihre Arbeitswelt aktiv mitgestalten. Wichtig dafür ist Augenhöhe, auch und gerade in der digitalen Arbeitswelt. Deshalb ist es jetzt Zeit für ein Update bei der Mitbestimmung, und genau das fordern wir mit unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. – Ich muss vielleicht für unsere Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer, die besorgt anfragen, ob die mangelnde Präsenz auf der Regierungsbank auf Krankheitsfälle zurückzuführen ist, sagen: Uns ist von krankheitsbedingten Ausfällen der Regierung nichts bekannt.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber sonstige Ausfälle sind bekannt!)

Nächster Redner ist der Kollege Albert Weiler, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)