Rede von Sascha Müller Umsatzsteuer
Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorab: Das Anliegen des Antrags ist selbstverständlich legitim. Auch uns treiben diese Fragen um. Die Hilfen für die Gastronomie dienten zur Unterstützung der Branche im Zuge der Coronapandemie. Ähnliches gilt für die Senkung der Umsatzsteuer auf Gas und Fernwärme, die für Entlastung angesichts der zwischenzeitlich stark angestiegenen Energiepreise gesorgt hat. Der Staat hat hier auf erhebliche Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe verzichtet, um der Gastwirtschaft und den Menschen unter die Arme zu greifen. Das ist wichtig, zu sagen – gerade jetzt, in den Zeiten der Haushaltsberatungen, wo viele Menschen sich in diesen Tagen an uns wenden und bitten, auf Kürzungen im Haushalt in den Bereichen, die sie direkt oder indirekt betreffen, zu verzichten.
Die Coronapandemie haben wir fürs Erste überwunden, und auch die Energiepreise haben sich ein gutes Stück weit wieder normalisiert. Ob und wann der richtige Zeitpunkt ist, wieder zur ursprünglichen Besteuerung zurückzukehren, ist gerade in Zeiten einer nicht einfachen Haushaltslage eine schwierige Abwägungsfrage, deren Beantwortung wir definitiv nicht übers Knie brechen sollten.
Es ist zu dem Antrag und dessen Anliegen in der Sache schon so viel gesagt worden, dass ich den Rest meiner Redezeit dazu nutzen möchte, etwas grundsätzlicher zu werden. Ich weiß natürlich – und der Antrag adressiert das ja auch –, dass sehr viele Menschen in Sorge sind. Sie hatten viele Belastungen zu tragen. Auch wenn wir als Bundesregierung schnell und umfassend reagiert haben: Viele Menschen sind all der Krisen müde. Coronapandemie, Krieg in Europa, damit verbunden Energiekrise und Inflation, und immer mehr Starkwetterereignisse durch die Klimakrise, von der viele Menschen betroffen sind – all das sind einschneidende Ereignisse, und viele Menschen wünschen sich: Kann das nicht aufhören? Kann nicht einfach alles so werden, wie es mal war? Ich kann das sehr gut verstehen, weil es mir auch so geht. Aber dem Wunsch, komplett in Ruhe gelassen zu werden und nichts zu verändern, nachzugeben, führt eben genau nicht dazu, dass alles so bleibt, wie es ist; im Gegenteil.
Nein, wir müssen nach vorn schauen und auf die Menschen und die Unternehmen vertrauen, um aus der Krise zu kommen. Als Bundesregierung müssen wir unseren Teil zur Unterstützung beitragen, wie wir das mit unseren Entlastungsmaßnahmen im letzten Jahr getan haben, darunter eben auch mit der Absenkung der Umsatzsteuer auf Gas und Fernwärme. Wir haben es in Windeseile geschafft, unabhängig von russischen Energieimporten zu werden, was insbesondere meinem Bundesland Bayern zugutekam, das so abhängig von den russischen Importen war wie kein anderes Bundesland. Wir hatten niemals eine Gas- oder Strommangellage.
(Beifall der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Armand Zorn [SPD])
Trotzdem gibt es natürlich auch Anlass zur Selbstkritik. Ja, auch wir als Ampel haben unseren Teil zur Verunsicherung beigetragen, weil wir zu lange den Eindruck vermittelt haben, dass wir vor lauter Ringen um den richtigen Weg das große Ganze und die Menschen aus dem Blick verloren hätten. Die letzten Wochen haben aber gezeigt, dass die Ampel es besser kann und wieder in den guten Modus der Anfangszeit zurückgefunden hat.
(Zuruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])
Zudem: Bisher haben wir immer zu guten Lösungen gefunden und werden das auch künftig tun, beispielsweise beim Wachstumschancengesetz mit wichtigen Impulsen für unsere Unternehmen und bei der Einführung der Kindergrundsicherung.
(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das hat Kindler in den Haushaltsberatungen doch abgelehnt!)
So viele wollen sich die Verunsicherung der Menschen zunutze machen, und das hat nicht nur Auswirkungen auf die Politik, sondern insgesamt auf die Gesellschaft. Wir spüren, wie viel rauer der Umgang wird. Für uns als Demokratinnen und Demokraten muss das heißen – dieser Appell geht insbesondere an die Spitzen meiner Staatsregierung –: Wir müssen um den besten Weg in der Sache streiten und Häme, Destruktivität, Fake News und Populismus den Extremisten überlassen. Zu viel ist davon schon in die Mitte der Gesellschaft eingesickert. Die heute neu veröffentlichte Mitte-Studie bringt hier erschreckende Ergebnisse.
In diesem Sinne sage ich noch einmal zu diesem Antrag der Linken und auch zu dem nachher noch zu diskutierenden Gesetzentwurf der Union: Ja, diese Anliegen sind selbstverständlich legitim. Wir werden Ihnen heute inhaltlich nicht folgen können. Aber es ist natürlich wichtig, die Diskussion über diese Anliegen in den kommenden Debatten zu führen und dann im Licht der Haushaltsberatungen abzuwägen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Robert Farle hat das Wort für zwei Minuten.