Rede von Dr. Till Steffen Umwandlungsrichtlinie

Dr. Till Steffen
20.01.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sinn der Umwandlungsrichtlinie ist ja, dass es für Unternehmen rechtssicher möglich sein soll, grenzüberschreitend zu fusionieren, die Unternehmensform umzuwandeln und dadurch die Möglichkeiten des Binnenmarkts zu nutzen. Herr Lieb hat den Kern dieses Gesetzes hier zutreffend dargestellt; das will ich gar nicht wiederholen.

Man muss bei den Punkten, die wir hier kritisch diskutieren, trotzdem im Auge behalten, worum es eigentlich geht. Es geht darum, dass Grenzen in Europa nicht verhindern sollen, dass Unternehmen auf dem europäischen Binnenmarkt tätig sind – was wir dringend brauchen, um wettbewerbsfähig zu sein gegenüber anderen großen Märkten, auf denen es solche Grenzen nicht gibt, Märkten in größeren Staaten, etwa in den USA oder in China. Deswegen begrüßen wir, dass es diesen Vorstoß, diese Richtlinie gibt, dass einheitliche Regelungen geschaffen und in deutsches Recht umgesetzt werden.

Aber wir müssen die kritischen Punkte genau anschauen, die hier angesprochen worden sind, damit nicht anlässlich einer solchen Umwandlung insbesondere die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Gefahr geraten. Dabei geht es um die Frage der Mitbestimmung; das Thema kennen wir. Wir kennen natürlich auch entsprechende Situationen in Deutschland und wissen, dass vielfach Konstrukte gewählt werden, um die Mitbestimmung auszuhebeln. Da gibt es eine große Kreativität. Es gibt sogar Anwälte, für die es das Geschäftsmodell ist, sich entsprechende Möglichkeiten auszudenken. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die sich extra so organisieren, dass Mitbestimmung nicht stattfindet. Dass diese Rechnung am Ende meistens nicht aufgeht – gerade in Zeiten, wo viele Unternehmen um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werben müssen, die sie für ihre Tätigkeiten brauchen –, hat Frau Wegge zutreffend dargestellt. Die Mitbestimmung ist ein Gewinn. Aber es gibt immer wieder Unternehmen, die versuchen, sie auszuhebeln. Eine Umwandlung darf natürlich nicht dazu genutzt werden, die Mitbestimmung auszuhebeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vor diesem Hintergrund haben wir bei der Kontrolle draufgesattelt, zum Schutz nicht nur der Mitbestimmung, sondern auch der Altersversorgung. Denn auch das gibt es: Unternehmen nehmen eine missbräuchliche Umwandlung vor, um sich von der kostspieligen Altersversorgung zu trennen. Genau das soll durch die eingehendere Prüfung verhindert werden, die wir hier vereinbart haben. Wir haben hier umgestellt. Ursprünglich war ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. In eine richtige Prüfung sollte nur bei bestimmten Anhaltspunkten eingestiegen werden. Wir haben uns gefragt: Wie soll das Gericht, welches das zu prüfen hat, die Anhaltspunkte erkennen, wenn es gar nicht prüft? Das erschien uns unlogisch. Wir sehen nun eine einstufige Prüfung vor und sorgen so dafür, dass jede Umwandlung angeschaut wird. Dann muss nach bestimmten Kriterien, die wir deutlicher formuliert haben, intensiver geprüft werden und der Umwandlung gegebenenfalls auch nicht zugestimmt werden.

Das spielt eine Rolle – wir haben das benannt –, wenn zum Beispiel der Unternehmenssitz in einem Land gewählt wird, in dem überhaupt gar keine wirtschaftliche Tätigkeit besteht. Dann ist sehr deutlich, dass es dabei offenkundig gar nicht um eine höhere ökonomische Effizienz, sondern um das Verfolgen anderer Zwecke geht. Das ist dann ein Indiz.

Wir haben auch bestimmte Schwellenwerte definiert. Wir haben außerdem – das ist eben auch gesagt worden – das Anhörungsrecht für die Gewerkschaften definiert. Denn es kommt darauf an, dass das Gericht im Vorfeld erkennt, warum eine bestimmte Umwandlung angelegt ist und dass sie unter Umständen einen missbräuchlichen Zweck verfolgt. Dafür brauchen wir eine intensivere Prüfung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Mayer, Sie haben die Änderungen nicht mehr ganz richtig verfolgt. Weil es komplexe Fragen sind, haben wir diese Aufgabe ausdrücklich von einer Rechtspflegerin bzw. einem Rechtspfleger auf eine Richterin bzw. einen Richter verlagert. Gerade weil es sich in der Regel um komplexe Unternehmensstrukturen handelt, die analysiert werden müssen, haben wir diese Änderung vorgenommen; das steht im Koalitionsantrag.

Insgesamt haben wir durch dieses Gesetz also sichergestellt, dass es bei den Mitbestimmungsrechten kein „Race to the bottom“ gibt und dass die Altersversorgung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch solche Umwandlungen nicht gefährdet wird. Herr Mayer – wenn ich mir diese kleine Bemerkung zum Schluss erlauben darf –, unterstellt, Sie hätten mit Ihrer Kritik am Verfahren recht, dann müssten Sie jetzt zustimmen; denn das Lobbyregistergesetz ist ja ein wichtiger Bestandteil des Gesetzentwurfes.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Er hat ja noch andere Kritik geäußert! – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Der Änderungsantrag kam auch dieses Mal wieder am Dienstag an! 119 Seiten! Sie haben aus der Erfahrung nicht gelernt!)

– Ja, okay. Aber diese Kritik ist ja nicht mehr ganz aktuell. – Insoweit kann ich mir nur wünschen, dass Sie alle heute zustimmen und diesen wichtigen Schritt gehen, der die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders sicherstellt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Steffen. – Nächster Redner ist der Kollege Pascal Meiser, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)