Rede von Karoline Otte Unterbringung von Geflüchteten

Karoline Otte MdB
30.03.2023

Karoline Otte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Und auch: Liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister! Liebe Landrätinnen und Landräte! Liebe Mitarbeiter/-innen in den Rat- und Kreishäusern! Eines ist klar: Wir müssen Ihnen Danke sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Sie haben zusammen mit vielen Menschen vor Ort im letzten Jahr einmal mehr gezeigt, wozu unsere Kommunen in der Lage sind, was vor Ort geleistet werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie haben im letzten Jahr wieder mehr als 1 Million Menschen, die vor Krieg und Leid geflohen sind, bei Ihnen vor Ort willkommen geheißen, ein Dach über dem Kopf organisiert, einen Ort zum Ankommen geschaffen, ein Bett zum Schlafen. Wir sehen Ihre Arbeit. Wir sehen die Herausforderungen. Und wir wollen an Ihrer Seite stehen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das hilft ihnen wenig!)

Unsere Städte, Gemeinden und Landkreise sind erfahrene Krisenmanagerinnen. Vor Ort in den Rathäusern haben diejenigen ihre Schreibtische, die am besten Bescheid wissen, was die aktuelle Lage hergibt, was gebraucht wird, was zu tun ist. Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung für die Menschen, die zu uns fliehen. Bund und Länder tragen die Verantwortung, Städte und Gemeinden zu unterstützen – bei Unterbringung, Versorgung und Integration.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wir haben auch eine Verantwortung für unsere eigenen Leute!)

Aus dem Bund fließen gerade 2,75 Milliarden Euro an die Länder.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Weniger als letztes Jahr!)

Das kann man übrigens von den Geldern des Landes Bayern an seine Kommunen nicht sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört! – Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Wir reden über Baurecht!)

Liebe Union, ich hoffe, Sie hören gut zu bei Ihrem Flüchtlingsgipfel heute im Paul-Löbe-Haus. Und ich hoffe, dass Sie danach vielleicht auch mal ein ernstes Gespräch mit Ihrem eigenen Ministerpräsidenten in Bayern suchen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Januar 2023 hat Bayern 60 Millionen Euro für die Versorgung von Geflüchteten beim Bund abgerufen. In den bayerischen Kommunen ist davon bis heute kein Cent angekommen.

(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Das hat aber doch nichts mit unserem Antrag zu tun! Da geht es um Baurecht!)

Ihre Landesregierung sitzt seit Monaten auf dem Geld des Bundes. Ganz schön heuchlerisch, dem Bund Untätigkeit vorzuwerfen und in dieser Art Arbeitsverweigerung zu betreiben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Der Bund schafft das Problem und löst es nicht! Das ist der Punkt!)

Dabei müssen wir über das Geld reden.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Auch! Nicht nur! Jetzt redet ihr über was anderes! – Gegenruf des Abg. Bernhard Daldrup [SPD]: Machen wir gleich!)

Wichtig, dass die kommunalen Spitzenverbände das auf dem Geflüchtetengipfel im Innenministerium eingefordert haben! Städte und Gemeinden dürfen wir nicht weiter alleinlassen mit Vorhaltekosten – Vorhaltekosten, die entstehen, wenn man nicht erst Schlafplätze organisiert, wenn Geflüchtete vorm Rathaus stehen. Und auch mehr Geld für Integration muss Ergebnis der nächsten MPK sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Lage in den Kommunen ist ernst. Kapazitäten sind erschöpft. Es fehlt auch an Wohnraum. Dafür brauchen wir pragmatische Lösungen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, gute Migrationspolitik!)

Schon letztes Jahr haben wir eine Änderung des Baugesetzes beschlossen. Wir helfen Kommunen schnell und unbürokratisch. Wir schaffen damit schneller ein Dach über dem Kopf für die Menschen, die bei uns ankommen. Das Kabinett hat gestern über die Verlängerung der Regelung bis 2027 entschieden. Das ist gut so.

Klar ist aber auch: Bezahlbarer Wohnraum ist gerade in unseren Großstädten Mangelware. Unser Wohnungsmarkt ist in einer Dauerschleife gefangen: Während wir neuen bezahlbaren Wohnraum bauen, fallen alte Wohnungen aus der Sozialbindung raus, und das Spiel beginnt von vorne. Wir brauchen deshalb die neue Wohngemeinnützigkeit – ein dauerhafter Anreiz, damit die Miete bezahlbar bleibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Liebe Union, „aufenthaltsvermindernde Maßnahmen“, „Begrenzung irregulärer Mass- – Asylmigration“ – der Begriff „Massenmigration“ kommt von rechts –:

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Vorlesen ist schon schwer!)

Abschiebung und Abschottung hinter Verwaltungsdeutsch zu verstecken, macht es nicht besser. In der Praxis bedeutet Ihre Politik mehr Leid für Menschen, für Geflüchtete, die in grausame Umstände abgeschoben werden und beim Versuch, ihr Menschenrecht auf Asyl einzulösen, an den europäischen Außengrenzen ertrinken. Kein Mensch weniger flieht vor Krieg und Hunger, weil die EU-Außengrenzen noch hermetischer abgeriegelt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wo leben Sie eigentlich?)

Die Flucht wird nur immer riskanter und tödlicher; mehr Menschen sterben. In diesem Jahr sind bereits 383 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben, seit 2014 insgesamt 26 141. Abschottung tötet Menschen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nee! Falsche Integrationspolitik tötet Menschen! – Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Das hat aber nichts mit dem Antrag zu tun!)

– Das hat sehr wohl was mit Ihrem Flüchtlingsgipfel zu tun, den Sie im Paul-Löbe-Haus veranstalten wollen.

(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Ja, aber das ist ja nicht der Antrag hier! Darüber reden wir doch gar nicht!)

Deutschlandweit sagen 319 Städte, Gemeinden und Landkreise gemeinsam: Stoppt das Sterben im Mittelmeer! Staatliche Seenotrettung jetzt! Schafft sichere Fluchtwege nach Europa! Abschottung ist keine Lösung!

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir reden über das Baurecht!)

319 sichere Häfen haben wir bereits in Deutschland, und es werden immer noch mehr.

(Beifall der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Städte, Gemeinden und Landkreise wollen ein Ort zum Ankommen sein und Teil eines Staates, der das Grundrecht auf Asyl und Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten nicht an der europäischen Außengrenze bei Diktatoren und Autokraten abgibt. Dafür stehen wir gemeinsam ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Rainer Semet [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wer ist „gemeinsam“?)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke erteile ich das Wort Caren Lay.

(Beifall bei der LINKEN)